#WiB 20./21. Januar 2018: Wolle mer se roi losse?


„Ach, auf so eine Faschingssitzung würde ich ja auch gerne mal gehen“, habe ich im Frühjahr mal im Versuch,Smalltalk auf einer Party zu betreiben, unbedacht geäußert.
Ein Dreiviertel Jahr später bin ich als Panzerknacker verkleidet auf dem Weg zur 2. Fremdensitzung des KCK (Karnevals-Club Kastel) nach Mainz. Und den Lieblingsmann, der das Faschingswochenende lieber zum Skifahren als zum Verkleiden und Feiern nutzt, habe ich auch noch da mit reingezogen. Tja, nun.

Aber fangen wir das Wochenende von vorne an.
Wir waren am Donnerstag zur Erziehungsberatung, weil, naja, kann ja mal nicht schaden, und da habe ich mitgenommen, dass ich hier erziehungsberechtigt bin und schon so was wie der Bestimmer und dass meine Entscheidungen durchaus auch mal unbequem sein dürfen.
Ich habe also beiden Kindern angekündigt, dass ich sie in zehn Minuten angezogen inklusive frischer Unterhose zum Frühstück im Esszimmer erwarte und erstaunlicherweise hat das funktioniert.
Kühn durch diesen leichten Erfolg habe ich sodann verkündet, dass ich erwarte, dass die Zimmer aufgeräumt werden und konkrete Meilensteine (Wäsche vor die Waschmaschine, nicht alles unter die Schränke schieben, keine Flaschen mehr in den Zimmern) definiert.
Tatsächlich hat auch das geklappt. Auch wenn der Sohn leicht amüsiert fragte, was denn mit mir los sei, dass ich jetzt auch mal die Dinge durchziehen und nicht mehr wie sonst nur ankündigen würde.
Ich fühle mich ertappt und so, als hätte man mit mir bislang gespielt wie auf einem Kinderklaver, aber ich freue mich, dass alle Star-Wars-Raumschiffe wieder im Regal sind und dass das Geschirr, das die Tochter im Sommer im Konficamp mit hatte, wieder den Weg in die Küche gefunden hat.

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„Aber demnächst darf ich auch mal Mutter spielen und bestimmen“, fordert der Sohn später als ich ihn zu einer Geburtstagsparty fahre, zu der er eingeladen ist.
„Nö, schaff Dir eigene Kinder an, dann kannst Du da bestimmen“, erwidere ich, fest in meiner neuen Rolle.
„Nee, da muss ich ja streng sein, das ist mir zu anstrengend.“

Die Party findet auf der Eisbahn statt und der Sohn befolgt brav den Ratschlag, beim Fallen sofort die Hände zur Faust zu ballen, damit ihm niemand die Finger abfährt. Nächstes Mal sollte er sich allerdings besser zum Igel einrollen, dann kann ihm auch keiner übers Bein fahren. Naja, jetzt hat er halt eine schöne Schramme zur Erinnerung.

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Wieder Zuhause mache ich schnell die Kostüme für heute Abend fertig, nachmittags sind der Lieblingsmann und ich nämlich noch auf einem Geburtstag eingeladen, was ich voll vergessen hatte und was meine zeitliche Planung sehr durcheinander wirft und mich missmutig stimmt.

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Schließlich machen wir uns auf den Weg zur „Ebsch-Seit“ so nennt man nämlich als Wiesbadener die Mainzer, die voneinander nur durch den Rhein getrennt sind. Als Mainzer sieht man das Ganze natürlich genau anders rum. Aber denen scheint ja auch immer die Narrensonne aus dem Allerwertesten.
Ein ewiger Streit wie bei den Capulets gegen die Montagues. Nur, dass es beim Mainz-Wiesbaden-Gefecht eher selten Tote gibt, die Witze darüber allerdings so müffeln, als hätten sie das Zeitliche schon länger gesegnet.
Bestes Futter also für Büttenredner auf der Mainzer-Seite. Noch schlechter als Wiesbadener kommen da eigentlich nur Pfälzer und Donald Trump weg. Wobei die letzten beiden eigentlich in die gleiche Kategorie fallen.

Der Saal in der Rheingoldhalle ist voller komischer Gestalten, vorne sitzen laute Menschen, es wird auf alle politischen Richtungen geschimpft und das ganze ist nur mit jeder Menge Wein zu ertragen. Kurz denke ich, ich bin aus Versehen auf dem Parteitag der SPD zur GroKo-Abstimmung gelandet, aber der ist ja erst morgen.

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Jetzt weiß ich endlich, wofür die Büttenredner sich das alles ausdenken und draufschaffen: die machen das für die Sparkassen-Picknickdecke, die sie nach dem Auftritt geschenkt bekommen!

Der Lieblingsmann und ich haben uns beide drei Tage nicht rasiert, ein rotes Shirt angezogen und ein blaues Käppi aufgesetzt. Ich denke, man erkennt, was wir darstellen wollen. Zumindest eine scharfe Polizistin im kurzen Röckchen zuckt ihre Pistole und will mich verhaften.

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Der Sitzungspräsident eröffnet die Show pünktlich um 18 Uhr 11 und wünscht dem Publikum famose Unterhaltung für die nächsten sieben Stunden.
Die Bedienung bemerkt mein erschrockenes Gesicht und beruhigt mich: „Keine Angst, das dauert nicht so lang. Da hat er übertrieben. Letztes Mal war es schon nach sechs Stunden fertig.“
Dann schwebt sie Humbatäterä-pfeifend davon, um schoppenweise Woi, Weck und Worscht, das Mainzer Nationalgericht, an die Tische zu schaffen.

Besonders erschreckend finde ich, dass ich ein sehr großes passives Wissen über Stimmungslieder zu haben scheine. „Rucki-Zucki“, „Am Rosenmontag bin ich geboren“, „Humbatäterä“, „Schatzi, schenk mir ein Foto“, „Wir sind die Tramps von de Palz“ – ich kann die ganzen Kracher alle 1-A mitsingen.
Und es macht mir sogar Spaß! Die Vorträge von de Lung auf die Zung aus der Bütt sind fast alle ganz gut, ich kann viel lachen.
Zwar nicht ganz so viel, wie die etwa siebzigjährige Clownfrau an unserem Tisch, für die einfach alles tränenkomisch ist, aber deutlich mehr als der zugehörige Clownmann, der mit seinem Schnauzer aussieht wie Wolfgang Völz und während der gesamten Sitzung nicht eine Mine verzieht. Nein, das stimmt nicht ganz, beim letzten Act, dem Biologielehrer, der im Staccato so viele alte und schlimme Zoten ablässt, dass die Band überhaupt nicht dazu kommt, ein „Uiuiuiuiuiuiui-auauauauau“ dazwischen zu werfen, amüsiert sich der mürrische Clown im Gegensatz zu mir sehr.

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Neue Wörter für die nächste Scrabble-Runde gelernt: Schwellkoppträger und Brauchtumspfleger. Nachzuhören auch in der berühmten Schwellkoppträgerhymne. Soso.

Alles in Allem verfliegen die sechs Stunden Sitzung, die es am Ende tatsächlich nur sind, wie im Flug und ich freue mich, dass ich das mal mitgemacht habe. Zufälliger Weise gehe ich an Weiberfasching noch mal auf eine Sitzung. Mal schauen, wie die so wird. Meine Ansprüche sind jetzt recht hoch

Am Sonntagmorgen gibt es zum ersten Mal in diesem Jahr ein gemeinsames Frühstück bei uns Zuhause mit allem Pipapo. Natürlich nur echt mit Obstmandala.

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Dann fährt der Mann die Kinder zum Badmintonspiel, das ihre Mannschaft mal wieder haushoch gewinnt, während ich ein bisschen was wegarbeiten muss, was die Woche über liegen geblieben ist.

Ich habe Päckchen bekommen! Was nicht ganz überraschend ist, weil ich sie selbst bestellt habe. Aber neben Geschenken für meinen Vater, der in der kommenden Woche Geburtstag hat, waren auch noch zwei Geschenke für mich drin, die mir niemand zu Geburtstag oder Weihnachten geschenkt hat, obwohl ich fest davon überzeugt bin, dezent darauf hingewiesen zu haben. Naja, dann schenke ich mir das halt selber.
Früher war ich ja weltgrößter R.E.M.-Fan und fest davon überzeugt, dass ich später mal Michael Stipe heiraten werde. Ich war sogar im Fanclub. Dafür musste ich immer einmal im Jahr zur Bank gehen, mein Taschengeld in 12 Dollar wechseln und per Brief nach Amerika schicken. Als Gegenleistung habe ich dann zwei oder vier Mal im Jahr Post von R.E.M. oder so bekommen und mir das mühevoll zusammenübersetzt, was da drin stand und nur die Hälfte verstanden als alte Lateinnudel.
Ja, so war das damals kurz nach dem Krieg.

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Wir verzichten sehr zur Freude der Kinder auf einen Sonntagsspaziergang und kehren gleich bei Oma und Opa zum Kaffee ein.

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Nicht viel, aber ein bisschen mehr Schnee als bei uns.

Obwohl der Lieblingsmann erkältet ist, schält er tapfer Kartoffeln und hilft mir, das Essen, das außer mir eigentlich keiner hier mag, zuzubereiten. Den Sohn frage ich währenddessen Lateinvokabeln ab, passenderweise können wir passende Sätze aus den Vokabeln von Lektion 4 bilden: Pater cibum parat.

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Weil der Mann so herzerweichend schnieft und ihn bislang niemand hier angemessen bedauert hat, bereite ich uns zur innerlichen Desinfektion ein Paar Gin Tonic und dann geht auch schon der Tatort los.

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Ich muss jetzt noch meinen Schunkel- und Klatsch-Muskelkater von der Faschingssitzung auskurieren und lese mir durch, was andere an diesem Wochenende so gemacht haben, wie immer bei Geborgen wachsen.

Morgen beginnt wieder eine arbeitsreiche Woche, Euch wünsche ich einen guten Start, habt es schön!




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