Ich war shoppen. Ganz alleine in der Stadt. Nur für mich. Nicht noch mal eben in der Kinderabteilung schauen und da was mitnehmen, weil es so niedlich ist und das Schauen für mich so frustierend.
Nein, ich war so richtig erwachsen unterwegs, habe mir auch noch die Nägel lackieren lassen und Kosmetik gekauft.
Und als ich da so stand und den Ständer mit den Jeans durchblätterte, da sprach mich jemand an:
„Hallo, hast Du einen Moment Zeit?“
„Äh, nein.“
Demonstrativ prüfte ich weiter die Qualität und Passform der angebotenen Textilwaren in der Hoffnung, dass der Typ in meinem Alter mit den Krücken, den halblangen Haaren und den Sommersprossen meine ablehnende Haltung verstehen würde.
„Schade, ich würde gerne ein wenig mit Dir flirten.“
Hätte ich etwas im Mund gehabt, ich hätte mich daran verschluckt. So riss ich nur meine Augen auf und drehte den Kopf, um mir ein genaueres Bild zu machen.
„Bitte was?“
„Vielleicht magst Du einen Kaffee mit mir trinken?“
Irgendwann gelang es mir, José – unter diesem Namen stellte sich mir der Mann vor – klar zu machen, dass ich mein Herz bereits verschenkt und tatsächlich auch kein Interesse an einem kurzfristigen Abenteuer hätte.
Wir verabschiedeten uns, nach dem ich mir Josés Nummer habe aufzwingen lassen, und ich schwebte geschmeichelt in Richtung Umkleidekabine, nicht allerdings ohne mich vorher noch mal zu vergewissern, ob sich Handy und Geldbörse noch ordnungsgemäß in meiner Handtasche befinden. Man weiß ja nie, aber man liest und hört so viel.
Eine Jeans war tatsächlich ein Volltreffer, ich zahlte und fuhr wieder nach Hause.
Irgendwann fiel mir auf, dass mein Handy weg war. Bestimmt im Auto liegen gelassen. Oder im Garten aus der Tasche gefallen. Oder, oder, oder.
Aber alles Suchen und Anklingeln half nicht – das Handy blieb verschwunden.
Was macht man in so einer Situation?
Handy sperren. Also gut. Aber wie?
Ich habe mal in der frühen Mobilsteinzeit einen E-Plus-Vertrag abgeschlossen. Inzwischen schickt mir O2 Rechnungen dafür. Wie so ein fauler Kredit bin ich im weltweiten Handel der Telefonfirmen weitergedealt worden.
Frohen Mutes rief ich die O2-Webseite auf, um mir da die Hotline-Nummer rauszusuchen oder ein E-Mail-Formular auszufüllen.
Hmmm. Ich brauchte ein Login um mein Handy zu sperren. Ich habe aber kein Login. Dann musste ich mir wohl ein Login besorgen. Oh, der Code zum Login-Einrichten wird per SMS aufs Handy geschickt. Das war jetzt aber dumm.
Weitergesucht. Aha. Es gibt also doch eine Hotline. Erreichbar aus dem O2-Mobilfunknetz. Das war jetzt aber schon wieder dumm.
Ein einfaches Kontaktformular? Fehlanzeige.
Heureka! Es gibt einen Handy-Finder auf der Website. Oh, nur mit Login. Aber wenn ich das hätte, könnte ich mein Handy orten lassen und wenn es gefunden wird, bekomme ich … eine SMS auf mein Handy?!?
Was nun? Facebook. Es muss doch bestimmt was auf Facebook geben. Gibt es auch. Die O2-Hilfe. Auf Facebook. Wie seriös und vertrauenerweckend. Aber mein Strohhalm. Ich schrieb also eine PN und drückte auf den Button „Hotline-Nummer anfordern“ und tröstete mich mit der Angabe „antwortet normalerweise innerhalb einer Stunde.
Nach 18 Stunden ohne Antwort reichte es mir und ich postete auf der O2-Facebook-Hilfe-Pinnwand öffentlich die Frage, wie lange man denn hier so auf Hilfe warten müsste. Nach fünf Minuten bekam ich die Antwort auf meine Frage vom Tag zuvor:
Besonders seriös erschien mir die angebotene Hilfe nicht. Vielleicht bin ich ein wenig altmodisch, aber ich mag es schon, mit meinem richtigen Namen angesprochen zu werden und gerade im geschäftlichen Umfeld – und dazu zähle ich meine Beziehung zu O2 – finde ich das IKEAeske Du doch unangebracht.
Und LG? Soll ich da jetzt mit Emojis drauf antworten oder mit THX und HDL? OMG! AFAIR sind wir doch nicht BFFs!
Inzwischen fand ich diese ganze Kommunikation IRL sehr ROFL und hatte ein etwas mulmiges Gefühl, als ich Claudia meine persönliche Kundennummer mitteilte. Ich verzichtete immerhin darauf, sie als Claudine anzuschreiben. Man muss es ja nicht herausfordern.
Aber es klappte.
Das bestätigte mir der nette Mitarbeiter im O2-Shop (Fun-Fact am Rande: der Shop ist ungefähr 50 Meter von meinem Hause entfernt, wäre ich mal gleich dahin gegangen, ich Dödel) am nächsten Tag, als ich meine neue Sim-Karte dort kaufte.
„Sie haben das über das Internet sperren lassen? Das haben Sie geschafft?“
Ich fühlte mich wie jemand, der mit einem halben Liter Wasser, einem dreibeinigen Kamel und ohne Handyempfang 500 Kilometer Wüste barfuß durchquert hat, und antwortete mit erschöpfter, aber stolzer Stimme: „Ja, aber es war nicht einfach.“
„Das glaube ich.“
Und jetzt bin ich für den O2-Mann der neue Babo, wenn ich das anerkennende Nicken richtig interpretiere.
Zuhause bekam ich von O2 noch eine Willkommens-E-Mail, über die ich immer noch lache. Leider habe ich sie nicht mehr, aber darin stand, dass ich ja eine neue Sim-Karte gekauft hätte, und dass ich, wenn ich das nicht gewesen wäre, mich doch bitte melden sollte.
Kannste Dir nicht ausdenken.
Und nun?
Dass das Handy weg ist, erwies sich für mich als Glücksfall. Es war ein altes iphone4, das eine Akkulaufzeit von ungefähr einem Tag bei Nichtbenutzung hat, der Homebutton und das Display haben eine andere Vorstellung von Berührungsempfindlichkeit als ich, neuere Apps kann man dort nicht draufladen und ins Klo war es mir auch schon mal gefallen. Selbstverständlich vor dem Spülen.
Also an den, der es jetzt hat, ob gestohlen oder gefunden:
Viel Spaß mit dem Sch…-Teil!
Ich habe jetzt ein abgelegtes iphone5, mit dem ich endlich auch PokemonGo spielen kann, auch wenn das mittlerweile sonst keiner mehr macht. Die Daten hatte ich zuletzt am Tag zuvor umfassend gesichert und sie sind schon auf das neue Telefon synchronisiert.
Das einzige, was ich nicht kann, ist José eine Nachricht schreiben, die Nummer ist weg.
Aber das hätte ich vermutlich eh nie getan.
Oh, O2 kann ich auch: https://9erblog.wordpress.com/tag/o2/
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