Als das Rumpelstilzchen in meinen Sohn gefahren ist


Fritz hatte einen Wutanfall. Fritz hat eigentlich sonst nie Wutanfälle. Ich weiß, das klingt jetzt sehr unglaubwürdig, aber es stimmt.
Für Wutanfälle war früher eher Lina zuständig, aber die hat das auch hinter sich gelassen. Die Zeiten, als sie ihren Kopf vor Wut gegen den Fußboden gehauen hat, weil sie an irgendetwas nicht herangekommen oder beim Krabbeln zu langsam vorangekommen ist, sind schon ganz lange vorbei.

Der letzte Wutanfall von Fritz, an den ich mich erinnere, war, als er ungefähr vier Jahre alt war. Der Klassiker in der Quengelzone an der Supermarktkasse. Ich glaube, es ging um irgendein Heftchen, Bob der Baumeister oder so, das er unbedingt haben wollte. Er hat rumgebrüllt und geschimpft. Ich habe mich mal wieder gefragt, ob ich ihn wohl auf dem Heimweg in so eine Babyklappe quetschen könnte und ansonsten so getan, als ginge mich das alles gar nichts an und als ob das Kind zu jemand anderem gehört. Hinter mir stand eine Omi, die mit den Minuten, die wir zusammen mit dem brüllenden Kind an der Kassenschlange warten mussten, immer genervter aussah. Ich hatte mir schon zehn verschiedene Rechtfertigungsgründe zurechtgelegt, warum ich dieses Kind nicht im Griff habe und mich geistig auf eine Predigt über richtige Kindererziehung vorbereitet, da drehte sich die Omi zu meinem Sohn um und sagt: „Was soll denn das? Jetzt hör‘ mal auf, Deine Mutti die ganze Zeit so anzuschreien und benimm‘ Dich anständig.“
Was soll ich sagen? Eigentlich mag ich es nicht, wenn andere meine Kinder zurechtweisen, aber danach war Ruh‘.

Und jetzt, drei Jahre später, der nächste kapitale Wutanfall.
Es fing eigentlich – wie in Horrorfilmen ja so üblich –  alles ganz harmlos an.
Ich kam vom Joggen nach Hause und wurde mit folgenden Worten begrüßt:
„Können wir heute Abend zu McDonalds essen gehen?“
„Äh – Nein.“
„Ach komm‘ schon, bitte. Ich war seit hundert Jahren nicht mehr bei McDonalds.“
„Du bist doch erst sieben. Wie kannst Du dann seit hundert Jahren nicht mehr bei McDonalds gewesen sein?“
„Die Lina war letzte Woche mit Papa bei McDonalds. Das ist voll unfair.“

Ab hier begann dann die Schreierei. Ungefähr zehn Minuten lang, die mir eher wie zwei Stunden vorkamen. Ich habe vorgeschlagen, Pommes im Ofen zu machen oder Käsebrot vor dem Fernseher zu essen. Wahlweise könnte er sich auch direkt ins Bett legen, denn ganz offensichtlich wäre er ja furchtbar müde. Aber die Antwort, die ich bekam war immer gleich:

DAS HAT DIR DER TEUFEL GESAGT! ICH WILL ZU MCDONALDS“

Ich musste mir einige Beschimpfungen anhören, die ich warum auch immer als geduldige Mutter an mir abprallen ließ. Zwischendurch kam sogar die Oma vorbei, die das Geschrei auf ihrer Terrasse gehört hatte, und wollte wissen, was denn hier los sei. Irgendwann sagte ich dann:
„Fritz. Ich weiß jetzt auch nicht mehr weiter. Was würdest Du denn machen, wenn Du in meiner Situation wärst und ein Kind hättest, das so rumbrüllt?“

„ICH WÜRDE ZU MCDONALDS GEHEN.“

Was frag‘ ich auch so doof? Dann setzte er nach einer kleinen, theatralischen Atempause nach:

„UND DAS KIND WÜRDE ICH ZUHAUSE LASSEN!“

Ich halte das immer noch für einen sehr weisen Vorschlag. Da ich aber nicht besonders gerne bei McDonalds esse, haben wir dann hart und ohne zu brüllen verhandelt und sind drei Tage später zu McDonalds einen Drachen aus der Juniortüte holen essen gegangen.

5 Gedanken zu „Als das Rumpelstilzchen in meinen Sohn gefahren ist

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