Zu den Freitagslieblingen ruft ja immer Anna, die von mir außerordentlich geschätzte Berlin-Mitte-Mom auf, und da ich diese Woche in Berlin war, finde ich es sehr passend, diese Woche meine Eindrücke mit der Welt zu teilen.
Aber von Anfang an. Was macht die Frau Sandkuchen denn überhaupt in Berlin?
Ganz unspektakulär: arbeiten.
Da meine Kinder und mein Mann ja eher seltener machen, was ich sage (was ein Euphemismus für „überhaupt nicht“ ist), habe ich mir einen neuen Job gesucht, der es mir erlaubt, anderen Leuten zu sagen, was sie machen sollen, beziehungsweise, wie sie bestimmte Computerprogramme bedienen können und tatsächlich sind die meisten sogar dankbar dafür. Ich sach mal: Win-win.
Diese Woche habe ich das also in Berlin gemacht.
Wer privat mit mir auf Facebook befreundet ist, wusste das schon seit letzter Woche, da habe ich nämlich einen Aufruf an meine Berliner Bekanntschaften gestartet, sich mit mir zu verabreden.
Allerdings habe ich nur einen Kommentar darauf erhalten und der war vom Lieblingsmann.
Ich lache immer noch! Echt. Genau dafür lieb ich den.
Leider muss ich diverse Schulungsrechner, Kabelgedöns und Beamer nach Berlin mitnehmen, so dass ich mit dem Auto fahren musste und nicht bequem netflixguckend Zug fahren konnte.
Immerhin ist der Dienstgolf ordentlich motorisiert und recht schnell habe ich mich daran gewöhnt, dass die linke Spur auf der Autobahn wohl für mich gemacht wurde. Queen of the Road.
Einmal habe ich angehalten, um mir einen Kaffee zu kaufen, den ich mir super nachhaltig in meinen neuen Kaffee-to-go-Becher habe füllen lassen, den mir der Lieblingsmann zum Abschied geschenkt hatte. Genau dafür lieb ich den auch. Auch wenn ich so einen Becher quasi bestellt hatte.
Eher unnachhaltig habe ich den Anhalter, der mich bei meiner Pause angesprochen hat, nicht mitgenommen. Ich Feigling habe behauptet, dass ich im Dienstwagen unterwegs bin und niemanden mitnehmen dürfe. Aber eigentlich saß mir die ganze Zeit meine Mutter imaginär auf der Schulter und erklärte mir, was alles passieren kann, wenn ich jemanden Fremden einfach so mitnehme.
Allerdings hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, dass ich den etwa siebzigjährigen Rentner und seine Frau auf der Raststätte im Nirgendwo habe sitzen lassen. Ungefähr eine Stunde habe ich darüber nachgedacht, wie ich das hätte machen können. Ich hätte ja den Ausweis fotografieren und per Whatsapp verschicken können, so als Sicherheit und Pfand. Aber wenn der gefälscht gewesen wäre?
Bescheuert, oder? Immerhin haben mir diese Gedanken die Zeit vertrieben, das blöde Auto hat nämlich keinen CD-Spieler und ich war und bin unfähig, mein Telefon per Bluetooth zu koppeln, um Hörbücher per Deezer zu hören. Das Auto behauptete, das ginge nur mit Aux-Kabel und genau so eins hatte ich in meinem riesigen Netzwerkausstattungskoffer natürlich nicht dabei.
Dann konnte ich irgendwann nicht mehr denken, ich musste nämlich mal. Dolle.
Naja, eineinhalb Stunden würde ich das noch schaffen, oder? Aber dann wurde es dunkel, es regnete, aus dem Nichts erschien eine Baustelle nach der anderen und auf den Raststätten, die ich anfuhr gab es keinen freien Parkplatz oder ich habe mich verfahren, weil da auch Baustelle war.
Die errechnete Ankunftszeit des Navis entfernte sich mit jedem gefahrenen Kilometer eine Minute weiter.
Ich war in einer sehr, sehr schlechten Kafka-Roman-Imitation gefangen.
Irgendwann erreichte ich doch mein Ziel, habe weder das Auto vollgepinkelt noch bin ich geplatzt, obwohl es sich seit einer halben Stunde so angefühlt hatte.
Jetzt aber endlich zu den eigentlichen Freitagslieblingen. Jetzt kennt ja der werte Leser die Ausgangssituation.
Lieblingsessen:
Gab es viele. Ich habe nämlich nicht einmal selbst gekocht in dieser Woche. Beispielhaft greife ich mal die Currywurst auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt heraus.
Gut, dass ich das Opinel-Messer-Mitbringsel für den Lieblingsmann nicht vor dem Weihnachtsmarktbesuch gekauft habe, sonst wäre ich vermutlich nicht durch die Sicherheitskontrolle gekommen.
Auch etwas ungewohnt war, dass man Eintritt zahlen muss. Aber dafür war der Weihnachtsmarkt wirklich wundervoll. So weihnachtlich und besinnlich. Kein billiger, importierter Plastikschrott, nicht nur Rostbratwurst- und Nierenspießgeruch, stattdessen konnte man Spätzle mit Trüffel ordern. Gibt es nicht mal in Wiesbaden.
Auf dem Platz zwischen den zwei Domen (oder heißt das Dömen, Domsen, Domä?) war ein prächtiger Christbaum aufgestellt – nicht so ein gageliges LED-bläulich leuchtendes Verreckerchen wie die Frankfurter Version.
Und denkt Euch, ich habe das Christkind gesehen,
Es stand auf Stelzen und leuchtete wunderschön.
Zur adventlichen Einstimmung hat der MVG Berlin von 1893 gesungen. So wie es aussah in Originalbesetzung, dafür im Johannes-Heesters-Gedächtnis-Look: schwarzer Mantel mit weißem Schal. Ich nehme an, dass ein paar der Sänger schon mit Jopi zur Schule gegangen sind. Vielleicht waren sie auch noch älter. Das lateinische Lied, das sie gesungen haben, klang jedenfalls sehr flüssig wie von einem Muttersprachler.
Ein wenig war das ganze schon zum Fremdschämen.
Es hat schon einen Grund, warum die deutsche Version von „Rudolf, the red nosed Reindeer“ nicht ganz so populär ist. Aber vielleicht haben die Männer ja englisch gesungen und es klang nur deutsch, wie auch das französische Lied, das interpretiert wurde.
Aber je länger ich zugehört habe, umso besser hat es mir gefallen. Die Männer auf der Bühne hatten Spaß, jeder durfte mal solo singen, egal ob talentiert oder nicht. Und eigentlich gab es auch nur „oder nicht“.
Neben mir stand ein Amerikaner und hat mir angeboten, von seinem Glühwein in meinen mittlerweile leeren Becher zu füllen. Sowas schreit doch Geist der Weihnacht, oder?
Die Frau des Amerikaners tanzte derweil begeistert zur zum Chorlied umgedichteten YMCA-Version mit.
Das hat das weihnachtliche Gefühl dann wieder etwas eingefangen.
Und in mir die Erkenntnis hinterlassen, dass in Berlin vielleicht doch nicht alles hip ist.
Lieblings-Familienmoment:
Gab es auch. Ich habe mich nämlich mit meiner Cousine getroffen, die in Pankow wohnt. Am Montag hatte ich mich telefonisch mit ihr verabredet, eine viertel Stunde später habe ich mit meinem Mann telefoniert, der mir erzählt hat, dass ich mich ja am Mittwoch mit meiner Cousine treffen würde. Offensichtlich hat meine Cousine gleich bei meiner Tante angerufen, die wiederum bei meiner Mutter angerufen hat, bei der mein Mann gerade die Taschen vom Sohn abgeholt hat. Vermute ich jedenfalls. Vielleicht stand es auch im Whats-app-Family-Chat und ich habe es zwischen den fünftausend Emojis und Katzenvideos nur übersehen.
Jedenfalls haben wir gemeinsam auf unsere Mütter angestoßen, die sind nämlich Zwillingsschwestern und hatten an diesem Tag Geburtstag. Beide.
Buch der Woche:
Gibt es nicht, ich habe jede freie Minute Mad Men auf Netflix geschaut. Damit habe ich letzte Woche angefangen und nach einem etwas schwierigen Start habe ich mich durch die Dunstwolke der kettenverrauchten Handlung gekämpft und mag die Serie gerade sehr.
Ein bisschen habe ich mich in Don Draper verliebt. Ich steh ja heimlich auf rauchende Männer, die sich nehmen was sie wollen und diese kultivierte Testosteron-Ausstrahlung versprühen.
Verheiratet sein will ich mit so jemandem nicht, aber heimlich schwärmen darf man ja, oder?

Netflix vor gemütlichem Kaminfeuer
Lieblingsmoment nur für mich:
Die ganze Woche war voller Lieblingsmomente nur für mich.
OK, vielleicht nicht der Teil, in dem ich so dringend aufs Klo musste.
Blöd kam ich mir auch vor, als ich gerade in der U-Bahn mit dem Lieblingsmann telefoniert habe und mich erschrocken fragte, wo denn um Himmels Willen mein Handy ist, wenn nicht in der Jackentasche, wo es gerade noch war. Upps.
Vermutlich auch nicht der Moment, als ich an der Bar im Hotel lässig und weltmännisch einen Gin Tonic bestellt habe und mich die Barkeeperin etwas mitleidig angeschaut und mir die extra Gin-Karte mit gefühlt dreißig verschiedenen Gin-Sorten und noch mal so vielen Tonic-Varianten gereicht hat.
Ich werde mir künftig gut überlegen, jemanden Dorftrottel zu nennen, weiß ich jetzt doch, wie sich das anfühlt, einer zu sein.

Gin O‘ Clock vor MotelOneiger Weihnachtsdeko
Inspiration der Woche:
Ganz klar Berlin. Überall entdecke ich hier Dinge, die anders sind als in Wiesbaden oder Frankfurt. Das fängt bei den Mülleimern an, die alle einen lustigen Spruch drauf haben, geht weiter mit den Fahrradfahrern, die wie Don Draper machen, was sie wollen und endet noch lange nicht bei den Straßenmusikern. In der einen U-Bahn-Haltestelle war ein Mann, der aussah und auch so gekleidet war wie ein osteuropäischer Wanderarbeiter und wundervoll Konzertharfe gespielt hat. Am Alexanderplatz saßen zwei Akkordeonspieler, die den Winter aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ interpretiert haben. Wirklich beeindruckend.
Und wusstet Ihr, dass man in Berlin Fidget Spinner (die älteren Leser erinnern sich vielleicht an die Dinger, bis zur Mitte des Jahres mal ein Sommerloch lang der heiße Scheiß waren) als „Finger-Schwinger“ kaufen kann?
Wenn dieser Artikel online geht bin ich schon wieder auf dem Weg nach Hause.
Mal schauen, ob mich wieder ein Rentner-Backpacker an einer Raststätte anspricht.
Noch mehr Freitagslieblinge zum Nachlesen gibt es bei Berlin-Mitte-Mom
Ich lass auf jeden Fall einen Koffer in Berlin, aber jetzt freue ich mich auch wieder sehr auf meine drei Knalltüten zu Hause.
Habt ein schönes Wochenende!
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Mein Hit war der Finger-Schwinger, lache immer noch 😂😂😂
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Wenn ich bloss in Berlin gewesen wäre, ich hätte mich so-fort mit dir verabredet. Und was ist Deezer?
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Das wär schön gewesen. Deezer ist wie Netflix nur für Musik und Hörbücher
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