Change-Management im Familienbetrieb


Todo-ListeIch erziehe jetzt wahnsinnig agil. Ich habe nämlich eine Weiterbildung gemacht und bin jetzt zertifizierter SCRUM-Master. Eigentlich war ich nur drei Tage auf einem Seminar und habe da nichts überraschend anderes kennengelernt, außer neuen netten Leuten, aber ich habe jetzt einen Haufen neuer Buzzwords im Repertoire für die gleiche Arbeit, die ich vorher schon gemacht habe. Da ich ganz gerne mal Dinge remixe und auf andere als die für sie gedachten Dinge übertrage, habe ich mir überlegt, diese agile Sache, bevor ich sie meinen Kollegen zumute, erst einmal an meinen Kindern auszuprobieren.
Wem beim Stichwort „agil“ zunächst Hundesport in den Sinn kommt, dem sei gesagt, dass er damit gar nicht so falsch liegt. Man wuselt mit seinem Hund durch einen Parcours über Hindernisse, durch Tunnel und um Slalomstangen herum, obwohl man, wenn man sich die Strecke vorher mal genau angesehen hätte, einfach auch geradeaus ins Ziel laufen könnte. Aber das wäre ja jetzt echt zu einfach und langweilig.
Beim Abendessen habe ich dann den Kindern einen Vortrag über das perfekte Product-Backlog und eine wohlüberlegte Sprintplanung gehalten und dass sie sich schon mal überlegen sollen, welche Anzahl an Storypoints sie glauben, am Tag so abarbeiten zu können, damit wir mit einer realistischen Schätzung aus dem Planning-Poker kommen. Die Rollenverteilung innerhalb des SCRUM-Teams ergab, dass die Kinder ins Entwickler-Team kamen, meinen Mann und ich habe ich zu Product-Ownern erklärt und da ansonsten niemand am Tisch über eine hinreichende Qualifizierung oder gar Zertifizierung verfügte, habe ich die SCRUM-Master-Rolle in Personalunion gleich mit übernommen.
Den Rest des Abends habe ich damit verbracht, die Tasks des Backlogs auf Post-its zu schreiben und an unsere Tafel zu kleben, auf der ansonsten die fehlenden Lebensmittel notiert werden.
Am nächsten Morgen waren die Post-its leider alle abgefallen. Ich habe dann ein neues Task hinzugefügt „Besser haftende Post-its erfinden“ und kurzerhand die Postkartengrüße von der Magnetwand entfernt und diese zum Kanban-Board erklärt.
Ich habe den Kindern dann mal meine Produkt-Vision zu einem idealen Haushalt vermittelt und als sie mir so gegenüber saßen und mit aufgerissenen Augen und Mündern zunickten, hatte ich den Eindruck, die Botschaft kommt an. Bei der Verteilung der Aufgaben, wie „Müll runtertragen“, „Tisch decken“, „Spülmaschine ausräumen“ oder „Zimmer aufräumen“ waren sie dann nicht mehr ganz so enthusiastisch dabei. Da half auch nicht die verlockende Aussicht darauf, dass man, wenn man etwas erledigt hat, das zugehörige Zettelchen von der Spalte „in Arbeit“ auf „Done“ setzen darf.
Die anschließend durch  mich vorgenommene Qualitätssicherung ergab, dass ich mehr Wert auf eine konkrete Ausarbeitung der Definition of Done hätte legen, oder das Backlog ausführlicher formulieren sollen.

Ebenfalls erwiesen sich die Witzchen, die mein Mann permanent über meinen methodischen Ansatz zur Workflow-Optimierung unseres Haushalts machte, als nicht besonders hilfreich.
Aber Impediment erkannt, Impediment gebannt: ich habe ihn dann einfach in ein anderes Projekt „Chillen und Lesen im Schlafzimmer“ gesteckt, in der Hoffnung, dass er dann nicht mehr so querschießt.
Trotzdem war das Sprint-Review eine Katastrophe: nur etwa die Hälfte war geschafft und das Inkrement bei weitem nicht so weit, um veröffentlicht werden (ergo Besuch empfangen) zu können.
Die anschließende Retrospektive ergab, dass unsere Familie einfach zu agil für agiles Projektmanagement ist.
Ich habe da ein Seminar „Spiritual Leadership“ gesehen. Vielleicht passt das ja eher zu unseren häuslichen Prozessen. Und wenn das nicht hilft, dann gehe ich zu dem Kurs „Durchsetzungstraining exklusiv für Frauen“.
Solange kehre ich erst einmal zu meinem matriarchalischen (nicht zu verwechseln mit martialischen) Führungsstil zurück: gleich alles selbst machen und anschließend darüber schimpfen.

5 Gedanken zu „Change-Management im Familienbetrieb

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  3. Sandkuchen-Geschichten Autor

    Ach, Du warst das 😉
    Herzlich willkommen in meiner Sandkiste und tausend ❤ an Dich, ich würde jetzt gerne was auf Französisch parlieren, aber das möchte ich niemandem hier zumuten, bin ja um ein gewisses Niveau bemüht ;9

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  4. Tafjora- einmal Frankreich und zurück

    Jetzt habe ich mich beinahe weggeschmissen. Ich habe heute das 1. Mal bei Dir gelesen und finde Dich großartig. Herzlichen Dank für’s herzhafte Lachen. Genau mein Ding.
    Hab mir meine Jungs dabei vorgestellt. Die können nur leider nicht lesen ich glaube ich müsste Bildchen malen. Leider kann ich das nicht so gut also muss ich doch wie Du wohl auch eher alles selber machen.
    Lieben Gruß
    Tanja

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  5. 11i

    Hey Verena, hab mich (mal wieder) weggeschmissen 😂😂😂, gut, dass ich mir diese Fortbildung sparen kann! Ansonsten: falls die anderen Seminare bzw Seminar-Anwendungen besser laufen, lass es mich /uns wissen!!!!
    LG, Elfi

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