„Das ist voll fies!“, um mit den Worten meiner ewig benachteiligten Kinder zu sprechen. Es sind Osterferien und alle können ausschlafen.
Bis auf mich. Ich muss zur Arbeit.
Heute ist nicht mal mein Sohn wach, der lange schlafen normalerweise nur gut findet, wenn Schule ist.
Um mir das Aufstehen zu versüßen, das mir diesmal wirklich schwerfällt, beschließe ich, heute in der Badewanne zu frühstücken.
Im Nachhinein erweist sich diese Idee dann doch nicht mehr als ganz so brillant, wie zunächst angenommen, das kuschelige Schaumbad hat mich leider noch müder gemacht, als ich es ohnehin schon war.
Die Spülmaschine kann ich jetzt wirklich nicht mehr ausräumen
Mein Auto begrüßt mich mit einem gelben Ausrufezeichen auf dem Display, das nicht verschwinden will. Die Bedienungsanleitung erklärt mir, dass eine „Gefahr für Personenschäden“ drohe.
Später kriege ich raus, dass eines der Bremslichter kaputt ist.
Ich werde mir wohl ein neues Auto kaufen müssen.
Oder ich bremse einfach nicht mehr. Ich bin so ein verdammtes Genie!
Auf der Arbeit ist viel zu tun. Gefühlt klingelt alle fünf Minuten das Telefon und es ist einiges liegen geblieben, da ich in den letzten zwei Tagen einen Workshop zu „Dynamic Facilitation“ besucht habe.
Das ist eine Moderationsmethode, die angewendet werden kann, wenn man eine kreative Lösung zu komplexen und/oder konfliktbeladenen Themen braucht. Sehr interessant und ich habe das Gefühl, dass ich das hier zu Hause mit den Kindern vertiefend üben kann. Mach ich ja ganz gerne mal.
Mir schweben da so Themen vor wie „Wie können wir es schaffen, dass die Zimmer aufgeräumt werden und bleiben?“ oder „Wie kriegen wir ausufernde Medienzeiten in den Griff?“.
Zum Mittagessen bin ich mit einer Lieblingskollegin verabredet. Höchst vorbildlich laufe ich die neun Stockwerke in die Kantine und esse dann nur einen Salat. Ich Streber.
Aber ohne Nachtisch geht es dann doch nicht.
Nach dem Mittagessen ist die Arbeit immer noch die gleiche, deshalb spule ich jetzt mal im Interesse des Lesers vor.
Zuhause hole ich erst mal die bestellten Ostergeschenke in der Buchhandlung ab und kaufe Emla-Pflaster, die Kinder sollen morgen nämlich Blut abgenommen bekommen.
Die Dinger kosten 17!!! Euro. Wahrscheinlich vergessen wir dann wieder, sie morgen rechtzeitig draufzukleben und bis wir sie dann mal wieder brauchen sind sie abgelaufen oder verschwunden. Ich habe ein Déjà-vu.
Immerhin gibt es zwei kleine Schokohäschen dazu.
Im Zimmer meines Sohnes liegt mein Akkordeon. Der Junge macht nämlich gerade im Rahmen des städtischen Ferienprogramms bei einem Musikkarussell mit, bei dem man Instrumente ausprobieren kann. Gestern hatte er Akkordeon und ist anschließend wie Florian Silbereisen durch die Bude gehüpft und hat alle genervt.
Heute erzählt er mit strahlenden Augen vom Schlagzeug.
Ich bin noch nicht ganz sicher, ob das wirklich so eine gute Idee mit dem Musikkarussell war …

Akkordeon an Hantel. Links im Bild eine vergessene Brotdose. Ich habe Angst. Vor allem auf diesem Bild
Das Mittagessen hat heute mein Mann gekocht. Wie üblich mit seiner Lieblingszutat, dem Portemonnaie. Und praktisches Einweggeschirr hat er auch noch verwendet.
Obwohl ich noch müder bin als heute morgen, räume ich jetzt doch die Spülmaschine aus. Ich erkenne mein Schicksal, wenn es vor mir steht und mir auf den Kopf haut.
Das Müllrausbringen kann ich allerdings durch geschicktes Umschichten vermeiden, stattdessen bringe ich den Kaninchen den Rest vom Liebstöckel vorbei.

Streckt die mir die Zunge raus? Haben nicht mal die Kaninchen Respekt vor mir?
Anschließend habe ich Dienst im Fotostudio. Mein Mann hat nämlich nicht bedacht, dass er heute alleine ist und einen Termin angenommen. Also bin ich heute hier der Ladenhüter.
Ich habe Kaffee, einen Computer und eine Rätselzeitschrift meiner Schwiegermutter. Es gibt Schlimmeres.

„Der Friseursalon gegenüber hat ja schon wieder umfirmiert. Und das Bonbonglas könnte mal wieder aufgefüllt werden.“ Gedanken einer Herumsitzerin.
Dann müssen wir auch schon los, die Kinder bei Oma und Opa abladen, wir wollen heute nämlich noch ins Konzert. Ich hatte mir, äh nein, meinem Mann natürlich, Karten für Philipp Poisel zu Weihnachten geschenkt. Im Auto bereiten wir uns schon mal auf den Abend vor.

In Toulouse habe ich ja auch noch ein halbes Herz zurückgelassen …
„Du hast doch gesagt, Ihr geht auf ein Rockkonzert“, lästert meine Tochter, als sie die Musik hört. Es läuft „Wie soll ein Mensch das ertragen?“
Spontan dichten wir Eltern den Songtext um:
„Wie soll ein Mensch das ertragen?
Wie sich die Kinder benehmn?
Ohne es einmal zu wagen?
Ihnen in den Hintern zu tretn.“
Die Tochter nickt anerkennend und meint, wir sollten das auf Youtube einstellen und „Parodie“ drüber schreiben. Noch besser wäre natürlich, wenn wir Zwillinge wären. Aber gut, es kann nicht jeder Lisa und Lena oder die Lochis sein.
Um kurz vor halb acht sind wir da und es sieht aus, als wäre der Weg für uns in die Festhalle so weit wie bis nach Toulouse, um mal einen weiteren Poisel-Songtitel zu bemühen. Wer will schon Vorbands sehen?
Es geht dann aber doch recht schnell. Das Taschenmesser meines Mannes wird wie gewohnt bei der Sicherheitskontrolle nicht gefunden und ich werde gar nicht kontrolliert. Ich muss wahnsinnig harmlos aussehen. Ich bin ein bisschen beleidigt.
Drinnen habe ich den Eindruck, es gibt noch eine Sicherheitskontrolle, aber es ist nur die Schlange vor dem Damenklo.
Da wir ja nun schon ein etwas gesetzteres Alter erreicht haben, habe ich Sitzplatzkarten gekauft. Ich bin der Meinung, ich hätte Karten genau in der Mitte besorgt und setze mich gegen die Bedenken meines Mannes durch und lasse alle Menschen in der Reihe für uns aufstehen, bis wir ganz am Rand unsere Plätze finden, die wir auch bequem über den anderen Gang hätten erreichen können.
Da fällt mir auch wieder ein, dass ich extra einen Gangplatz gewählt hatte, damit der Lieblingsmann die Beine ausstrecken kann.
Der hätte jetzt aber auch gut in der Mitte sitzen können, weil er vor Scham ganz klein geworden ist.
Um 8 geht es ohne Vorband los.
Der Anfang ist schrecklich, mit einer 25-Euro-Bluetooth-Boom-Box hätte man einen besseren Sound hinbekommen. Aber die Tontechniker schaffen es, das Wummern der Bässe vom Hals in den Bauch zu verlagern, das Nuscheln des Sängers – nun ja, das ist auch herausfordernd.
Das Konzert ist grandios!
Es ist das Tourabschlusskonzert und man hat den Eindruck, die Band feiert eine irrsinnig tolle Party und man darf dabei sein.
Philipp Poisel spielt fast drei Stunden lang und man schaut nicht eine Sekunde auf die Uhr, wie lange es wohl noch dauert.
Es ist wahnsinnig viel los auf der Bühne. Es tritt ein kleiner Bully auf, Geigerinnen in Schwarzwaldmädeltracht, Super Mario, es gibt ein tanzendes Hochzeitspaar und Männer, die einen gewaltigen Baumstamm zersägen.
Zu jedem Song erzählt das Bühnenbild eine eigene Geschichte. Der Chinesische Staatszirkus wirkt wie ein minimalistisches Schauspiel dagegen.
Philipp Poisel wechselt das Outfit häufiger als Madonna, fährt Inline-Skates wie bei Starlight-Express und zeigt gewagte Tanz- und Breakdance-Einlagen, die jeden Fluxus-Schüler respektvoll zurückweichen lassen. Trotzdem wirkt es cool weil man merkt, dass er genau darauf jetzt Bock hat.
Und die Stimmung ist großartig.
So lässt es sich doch gut ins lange Osterwochenende starten. Morgen habe ich nämlich frei und kann mir durchlesen, was andere an diesem Tag erlebt haben. Wie immer bei „Draußen nur Kännchen“.
Habt es schön!
Einen Moderator zur Medienzeit könnten wir auch gebrauchen. (Und obwohl die Kinder Posaune und Geige lernen, hält sich die Lärmbelästigung in Grenzen – sie üben eh nicht).
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Haha, das stimmt. Klavier bezahle ich auch nur den Unterricht, üben tu ich …
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Das hat mir gefallen. Also dein Text, Philip Dingens ist glaub ich nicht so mein Fall 😉
Schöne Ostern 🙂
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Philipp Poisel ist toll. 🙂
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