Weihnachten rückt näher. OK, es sind noch drei Monate bis dahin, aber die Kisten mit aussortierten Klamotten und Spielsachen stapeln sich auf dem Dachboden und versperren dem Schornsteinfeger den Weg. Es muss also sein. Wir waren auch schon seit zwei Jahren nicht mehr. Es geht nicht anders.
„Verschenk‘ den Krempel. Kriegste eh‘ nichts mehr für“, sagt mein Kollege.
„Ich habe keinen, dem ich es schenken könnte“, antworte ich.
„Frag‘ doch mal bei den jungen Vätern im Kollegenkreis“, antwortet er.
„Hab‘ ich schon, aber da war jemand anderes schneller.“ Schuldbewusst schaut der Kollege zu Boden.
Unser Entschluss steht fest, am Sonntag geht’s auf den Kinderbasar. Dabei handelt es sich weder um eine Börse für adoptionswillige Paare, noch wird man da seine ungezogenen Gören los. Nein, es handelt sich um einen Umschlagplatz für gebrauchte Kindersachen aller Art und Qualität. Man kann dort tolle Schnäppchen machen und fragt sich manchmal aber auch, ob manchen Leuten gar nichts peinlich ist.
Im Frühjahr und Herbst finden sie in großer Zahl in Turnhallen, Gemeindesälen und Kindergärten statt. Und auf so einen Kindersachenbasar wollen wir. Und zwar auf so einen richtigen Face-to-Face-Flohmarkt, nicht so ein Abgabe-Bazar, wo man hinterher nicht weiß, wer die Sachen kauft. Irgendwie hängt man ja doch noch dran und will die Sachen in guten Händen wissen.
Abgabe-Basar habe ich auch schon mal gemacht. Da gibt man seinen Krempel ab und das Ganze wird auf Wühltischen präsentiert. Das Ergebnis war allerdings recht unbefriedigend. Sechs Stunden habe ich die Sachen rausgesucht und ausgezeichnet, durften nur 50 Stück sein. Abzüglich der Standgebühr blieben am Ende 23 Euro Fünfzig und ein Großteil der Teile übrig.
In den Altkleidersack möchte ich die Petit Bateau, Ralph Lauren und Mexx Sachen aber auch nicht stecken. Waren schließlich mal Geschenke von der Oma. Am Ende werden da Lumpen draus geschnitten. Das will ich nicht.
Bereits am Montag fange ich an und zwinge meinen Mann, Kisten vom Speicher zu schleppen und im Schlafzimmer zwischenzulagern. Dann bin ich Montag-Abend und Dienstag-Vormittag damit beschäftigt, die Sachen vor zu sortieren: Sommersachen bleiben da, Lieblingsbücher und -Mützchen auch. Am Abend bin ich erst einmal soweit fertig, räume die Spülmaschine aus und decke den Abendbrot-Tisch. Anschließend sortiere ich die Sachen erneut zusammen, weil neugierige Kinderhände die Schätze aus den Kisten im Schlafzimmer ausgebreitet und unter Kinderbetten versteckt haben – kann man ja noch brauchen, die abwaschbaren Babybücher und die Rasseln.
Ich überlege mir Verkaufsstrategien, schnüre Packages mit Give-aways, dekoriere im Kopf schon mal den Verkaufsstand, organisiere einen Kleiderständer.
Freitag-Abend: die nochmal gewaschenen Klamotten werden gebügelt. Zwei Stunden.
Samstag: Kuchen backen – ist nämlich Teil der Standgebühr. Käsekuchen, riesige Sauerei in der Küche. Am Nachmittag ist plötzlich ein Stück vom Käsekuchen verschwunden. Zahnabdrücke passen zu meinem Sohn. Also noch ein Käsekuchen, nochmal Sauerei.
Sonntag: das Auto ist voll. Lina und ich fahren mit dem Fahrrad. Wir haben 30 Minuten für den Aufbau. Nach 15 Minuten kommen die ersten Käufer. Am Stand herrscht das reinste Chaos, erst 30% der Sachen sind ausgepackt, Dekoration? Negativ.
Die Baby-Born-Sitzschale, die wir von den Cousinen geerbt haben, geht für 4 Euro weg. Hervorragend, ein sperriges Teil ist schon mal weg. Allerdings wird jetzt die Baby-Born-Trauminsel-Badewanne aus dem Verkauf genommen – die ursprüngliche Besitzerin will ab jetzt wieder täglich damit spielen.
Fataler Fehler, schicke Interessenten für den Baby-Born-Roller wieder weg. Später wird auch dieses Teil aus dem Verkauf genommen. Da muss ich nochmal an der Einstellung der jungen Dame zum Thema „Loslassen-können“ arbeiten. Ich fürchte, einen Messie großzuziehen.
Ich spreche einen stöbernden Vater an und gebe Kaufempfehlungen. „Ich habe hier nichts zu entscheiden, das macht meine Frau, ich gucke bloß.“ In der Tat sind die meisten anwesenden Herren mit Kinderbetreuung beschäftigt und halten sich bevorzugt in der Cafeteria auf.
Yipieh! Das Bällchen-Bad ist weg. Geht da noch was mit dem Barbie-Zelt?
Nach gefühlten drei Stunden Non-Stopp-Verkauf, Fachsimpeln über Vorteile von Wickelbodys und Erklären von Kleinkind-Spielzeug schaue ich auf die Uhr: erst dreißig Minuten rum.
Die Kinder sind verschwunden. Schnell die Kugelbahn wieder in die Auslage gestellt.
Kurz darauf sind die Flohmarkt-Saboteure wieder da und präsentieren ihre Schätze: jeder hat ein Playmobil-Micro mit winzigen Püppchen gekauft, die sofort im nächsten Staubsauger verschwinden werden. Sieben Euro hat jeder von ihnen dafür gelatzt. Ich bin zu billig. Und ich hätte den Laufstall mitnehmen sollen, dann wären die beiden da nämlich jetzt drin gelandet. Mein Mann geht mit ihnen in die Cafeteria zu den anderen Vätern und Kindern. Die Geldbörsen bleiben bei mir.
Ich verkaufe wie von Sinnen, aber die Türrahmen-Schaukel werde ich nicht los.
Am Ende sind es drei Kisten weniger, dafür knapp 200 Euro mehr.
An dieser Stelle stoppe ich die Rechnung und bin zufrieden. Den Nettobetrag und den Stundenlohn will ich gar nicht wissen. Dafür ist der Ehrgeiz geweckt, die restlichen Staubfänger auf dem nächsten Flohmarkt loszuwerden.
Der Basar war übrigens in einem Altersheim. Fritz übt sich jetzt im „Loslassen-können“ und ist wild entschlossen, mich dort demnächst unterzubringen. Aber ich glaube, ihm ist noch nicht so ganz klar, dass ihm keiner für mich etwas zahlen wird.
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