Ein Fernseher ist eine sehr praktische Erfindung. Vor allem, wenn man Kinder hat und mal in Ruhe telefonieren oder mit Freunden essen möchte. Glotze an, Kinder davor und Stille – zumindest solange man ihn nicht mehr ausschaltet.
Das Problem, das man sich mit dem Einsatz des Fernsehers allerdings im Gegenzug einhandelt, kannte schon Goethes Zauberlehrling: die Geister, die ich rief, werd‘ ich nun nicht los.
Ich persönlich halte Fernsehen, ausgenommen vielleicht Nachrichten und Wissenssendungen wie Löwenzahn, die Sendung mit der Maus oder Wissen macht Ah! für reine Zeitverschwendung. Außerdem macht dieser unheimliche Apparat irgendwas mit meinen Kindern. Sie sind vor der Glotze nämlich nicht mehr ansprechbar. Gebannt und ohne mit den Augen zu zwinkern sitzen sie, gerne stundenlang, vor dem Gerät und sind in einer anderen Welt gefangen. Sie sind in diesen Momenten komplett auf die Fernsehfrequenzen eingestellt und nehmen nur das wahr, das ihnen aus der Kiste entgegenflimmert.
Das allerdings wird auf den kindlichen zerebralen Festplatten für immer gespeichert. Dort liegen inzwischen sämtliche Drachennamen aus „Dragons, die Reiter von Berk“ oder alle Informationen aus „Star Woas de Klon-Woas“ und Zaubersprüche aus „Bibi Blocksberg“.
Für meine Worte hingegen sind die Kinder taub. Ich habe schon überlegt, ob ich mal ein Video von mir aufnehme, in dem ich Anweisungen zum Händewaschen (mit Seife!), Aufräumen oder höflichem Umgangston gegenüber Familienangehörigen wie z.B. Eltern gebe.
Hinzu kommt, dass die Dosierung des Fernsehkonsums problematisch ist. Leider macht Fernsehen Kinder ähnlich schnell süchtig wie Süßkram. Die Kleinen können nicht anders. Wie Junkies verlangt es sie nach mehr von ihrer Droge. Und dabei übertreten sie schnell die Grenzen des Erlaubten und verstricken sich in Schwindeleien.
Häufig nutzen meine Kinder zum Beispiel die Zeit, wenn ich mit Hausarbeiten im anderen Stockwerk beschäftigt bin, um heimlich und wahllos etwas fernzusehen. Wenn ich in die Nähe des Wohnzimmers komme, hört man dann trippelnde, aufgeregte Schritte und wie Kakerlaken wenn man das Licht anmacht, so flitzen sie auseinander und tun so, als würden sie sich gerade ganz intensiv die Zimmerpalme anschauen oder die Struktur vom Rauputz an der Wand studieren.
Dass sie ferngesehen haben, streiten sie vehement ab und versuchen stattdessen, mich mit belanglosen Themen oder Hinweisen auf Verfehlungen anderer abzulenken.
Ich habe aber meinen Spaß daran, sie immer wieder aufs Neue zu überführen.
„Habt Ihr ferngesehen?“
Große Augen blicken mich an, begleitet von vehementem Kopfschütteln: „Nein. Stell Dir vor, heute hatten elf Kinder keine Hausaufgaben. Aber ich war nicht dabei.“
„Da brennt ja noch das Lämpchen am Fernseher.“
Seitdem wird die Glotze am Schalter und nicht über die Fernbedienung ausgeschaltet.
Ein anderes Mal: „Habt ihr ferngesehen?“
„Nein. Wir haben Barbie gespielt. Ich brauche übrigens ein neues Matheheft.“
„Wenn ich jetzt den Fernseher anmache. Läuft da das Programm, das ich gestern Abend zuletzt gesehen habe, oder Super RTL?“
Tiefes Durchatmen, dann doch noch die rettende Ausrede: „ Wir haben nur gespielt, nämlich die Barbies gehen ins Kino.“
Inzwischen merken sie sich das Programm, das eingeschaltet war.
Das ganze erinnert an Wettrüsten im kalten Krieg, doch noch bin ich meinen Kindern immer einen Schritt voraus und muss gestehen, dass ich Spaß daran habe.
Neulich habe ich im Raum unter dem Wohnzimmer Staub gesaugt und fernsehbezogene Aktivitäten im Zimmer über mir bemerkt. Meinen ersten Impuls, hochzurasen und eine kräftige Standpauke zu halten, konnte ich ignorieren. Also bin ich gemäßigten Schrittes, polternd die Treppe hinaufgegangen, damit die Kinder ausreichend Zeit hatten, ihre Spuren zu verwischen.
„Hallo, Ihr Zwei. Na, spielt ihr schön? Ich will Euch auch gar nicht stören, ich bin gleich wieder weg. Ich habe nur dummerweise meine Fernbedienung vergessen. Ah, da ist sie ja. Ihr braucht sie ja nicht, oder? Dann nehm‘ ich sie mal mit. Macht ruhig weiter.“
Der Gedanke an ihre Gesichter hat mich noch den ganzen Abend zum Lachen gebracht.
Ich glaube das nächste Mal erzähle ich ihnen, dass ich eine SMS aufs Handy geschickt bekomme, wenn der Fernseher eingeschaltet wird.
Mit diesem Beitrag bewerbe ich mich beim scoyo Eltern! Blogaward 2016.