Mary Poppins‘ Tasche


neue-tascheMein Mann bezeichnet meine Handtasche gerne als ledernen Müllbeutel. Er kann einfach nicht verstehen, wozu jemand immer so viel Krempel mit sich herumschleppen muss. Schon seine Geldbörse ist nur halb so groß wie meine und nur einen Bruchteil so dick. Drinnen sind ein paar Scheine, der Personalausweis, der Führerschein und manchmal einige wenige Münzen. Ich glaube, er hat nicht mal seine Bankkarte immer dabei. Ich habe hingegen noch ein paar andere Karten, mit denen man Rabatte und Treuestempel ergattern kann für den Bäcker, den Metzger, den Schuster, den Blumenladen und noch ein paar andere. Natürlich Bilder meiner Kinder, Mitgliedsausweise diverser Sportvereine, Krankenkassenkarten von mir und den Kindern, Bibliotheks-Ausweise und der Ausleihausweis für die Videothek, in der ich seit mindestens zehn Jahren nichts mehr ausgeliehen habe. Gibt es die überhaupt noch? Dazu noch ein paar Einkaufslisten, Kassenbons und Quittungen. Wie man also erkennen kann, nur absolut unverzichtbare Dinge.
Wenn man so ein großes Portemonnaie hat weil man es braucht, dann kann man das natürlich nicht in eine winzig kleine Tasche quetschen. Und wenn man eine große Tasche hat, dann muss die auch entsprechend gefüllt sein, damit sie nicht an einem herunterhängt wie ein übrig gebliebener Luftballon vom vorletzten Rummelplatzbesuch.
Außerdem wird von der modernen Mutter erwartet, dass sie jederzeit alles dabei hat. Man soll eine Zaubertasche wie Mary Poppins haben, aus der bei Bedarf jeder Blödsinn gezogen werden kann. Und die wenigsten Dinge sind dabei für mich. Selbstverständlich habe ich immer eine Nylon-Wechsel-Strumpfhose dabei, falls ich mir eine Laufmasche reiße. OK, ich habe nur selten Strumpfhosen an, aber es ist ein bisschen viel verlangt, die Wechselstrumpfhose bei Bedarf ein und auszupacken. Außerdem wiegt die nichts und nimmt keinen Platz weg, also darf sie bleiben. Über Kaugummies, Pflaster oder Kopfschmerztabletten freuen sich auch immer alle, und irgendwann braucht jeder mal einen Stift und einen Zettel – wie gut, dass ich dann meine Handtasche habe. Nur zehn Minuten und ich habe alle Einzelteile des Kulis in den Tiefen meiner Handtasche gefunden und zusammengesetzt. Das soll mir McGyver erst einmal nachmachen.
Unverzichtbar ist natürlich auch, immer etwas zu essen und zu trinken dabei zu haben. Aus Selbstschutz nehme ich Haltungsschäden durch die Handtasche in Kauf, nur um dringende Bedürfnisse meines Sohnes in dieser Hinsicht prompt bedienen zu können.
„Wir gehen jetzt. Wenn Du Hunger oder Durst hast, dann iss‘  und trink noch schnell etwas und zwar jetzt.“
„Nein, hab‘ keinen Hunger.“
„Sicher?“
„Jaaha!“
Keine zehn Minuten später aber gefühlte 100 Meilen entfernt von jeder Zivilisation kann ich wetten, dass folgender Ruf kommt: „Ich habe Hunger/Durst – sofort!“
Nicht-Eltern werden jetzt denken: „Ja und?“
Eltern muss ich nicht erklären, welche Konsequenzen diese Aussage, in entsprechend quengelig vorgetragenem Tonfall, hat.
Wie oft haben mich da schon kleine Gummibärchentütchen, Trinkpäckchen oder Kekspackungen davor bewahrt, in einer Irrenanstalt zu landen. Und ich habe zwei Kinder. Und beide sind fest davon überzeugt, auf der Stelle sterben zu müssen, wenn Hunger und/oder Durst nicht umgehend befriedigt werden.
Meine Kinder sehen zwar nicht den unbedingten Nutzen von Taschentüchern, wozu hat der Liebe Gott ihnen denn ansonsten Arme gegeben und dazu auch noch Pullover, aber ich finde, dass ein paar Päckchen in jede Handtasche gehören. Und Schwupps ist so eine Tasche voll.

Neulich habe ich mir eine neue Tasche gekauft und Fritz gebeten, darin nach meinem Schlüssel zu suchen. Er blickte in die Handtasche, dann blickte er zu mir auf und sagte vorwurfsvoll: „Mama. Eine neue Handtasche. Und schon soo voll.“
Irgendwie hat er ja Recht. Vielleicht ist er jetzt ja alt genug und ich sollte mal etwas rausräumen – sofort!

Ein Gedanke zu „Mary Poppins‘ Tasche

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