Die Nummer gegen Kummer


Mein Sohn hat einen Job gefunden. Er arbeitet jetzt an der Repzepzion.
Dafür hat er seinen Schreibtisch aufgeräumt und von sämtlichem Schnick-Schnack befreit, der an einer Repzepzion nichts zu suchen hat. Keine doppelt bis fünffachen Rewe-Sticker der vorletzten Kollektion,  keine Auto-Quartett-Karten und einzelne Playmobil-Püppchen mehr. Nein, übrig geblieben sind lediglich ein Block und ein gespitzter Bleistift, sowie der Bastelkalender aus dem Kindergottesdienst vom letzten Jahr.
Den braucht er, wie er mir versicherte, um die Termine zu machen. Danach drückte er mir noch ein Blatt Papier in die Hand mit der Erklärung, dass es sich hierbei um die Öffnungszeiten der Repzepzion handelt. Es war etwas schwierig für mich, hier durchzusteigen. Der Fahrplan des örtlichen Nahverkehrsverbunds ist wie eine Lego-Bauanleitung dagegen – umfangreich aber auch für Fünfjährige und Mütter verständlich. Es mag auch daran gelegen haben, dass er noch gar nicht schreiben kann, er kommt ja erst nach den Ferien in die Schule.  Da ich wohl einen etwas dümmlichen und verständnislosen Eindruck gemacht habe, hat er mir die Öffnungszeiten dann netterweise noch persönlich erklärt. Richtig viel schlauer war ich hinterher nicht. Offensichtlich haben die Tage an der Repzepzion mindesten 36 wenn nicht gar 48 Stunden. Lediglich zwischen 1 Uhr Nachts und 1:30 ist die Repzepzion wohl nicht erreichbar.

So ganz war das nicht rauszukriegen, da er ja gleichzeitig noch einen Bootsverleih im Hof betreibt, der eigentlich auch rund um die Uhr besetzt ist. Manchmal auch im Wechsel mit der Repzepzion. Wochenende und Urlaub gibt es nicht.
Aber er hat gerade 344 neue Boote bestellt, ich sollte da mal vorbeischauen. Ich nicke anerkennend und hoffe, dass das nicht über ebay war und er das Passwort für Paypal kennt. Um 344 Boote im Internet zu bestellen, braucht man ja nicht unbedingt Schreib- und Lese-Kompetenz.
Jetzt wollte ich dann aber doch mal etwas genauer wissen, was diese Repzepion, für die er nun arbeitet , denn eigentlich macht und wieviel er denn da verdient und ob ich meinen Job kündigen und mich von ihm aushalten lassen könnte. Für 33 Cent (pro was hat er nicht angegeben) werde ich wohl doch erst noch eine Weile selber arbeiten gehen müssen.
Die Repzepzion allerdings ist ein wahrer Zauberladen. Man kann hier alles bekommen. Zwar verkaufen die nichts, aber sie vermitteln Auskünfte, Dienstleistungen, Ratschläge. Nichts, was es hier nicht gibt. Rezept für Böse-Schwiegermutter-Zaubertrank, Hausaufgaben erledigen, die Lottozahlen für kommenden Samstag – ein Anruf genügt.

Allerdings kann ich jetzt leider nicht mehr von Angesicht zu Angesicht mit meinem Sohn reden. Auf seinem Schreibtisch ist nämlich inzwischen noch ein neues Utensil aufgetaucht: unser zweites Telefon. Anfragen werden zu den bekannten Öffnungszeiten jetzt nur noch telefonisch entgegengenommen.
Ich rufe jetzt also an, wenn ich möchte, dass er jemanden zum Zimmer aufräumen vorbeischickt oder um zu fragen, was sechsjährigen Jungen wohl auf ihrem Abendbrot schmeckt.
Er meldet sich immer mit „Ja, guten Tag, Repzepzion Wiesbaden, Wagenpfeil.“
„Ja, hallo. Spreche ich mit der Repzepzion Wiesbaden?“
„Ja, am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“
„Mal so höflich mit Deiner Mutter auch im richtigen Leben sprechen.“
„Och, Mama. So geht das nicht. Du musst sagen, was Du willst.“
„Also gut. Ich hätte da mal eine Frage: Wie kann ich es denn erreichen, dass mein Sohn höflicher mit mir spricht?“
„Wie alt ist denn ihr Sohn?“
„Sechs.“
„Und wann ist er geboren?“
„Am 28.12.2006“
„Und wann hat er Geburtstag?“
„Ist das jetzt eine Fangfrage?“
„Was ist denn eine Fangfrage?“
„Naja, Sie wissen doch, wann er geboren ist,  dann sollten Sie doch jetzt auch wissen, wann er Geburtstag hat. Oder arbeiten an der Repzepzion nur Dumme?“
„Mama! Ach so ja. Wie war nochmal die Frage?“
„Die Umgangsformen“
„Also gut. Der Junge ist sechs, ich fürchte da kann man überhaupt nichts machen.“
„Echt jetzt?“
„Vielleicht gäbe es da doch noch was.“
„Machen Sie mir keine falschen Hoffnungen.“
„Ein Lego-Star-Wars-Raumschiff könnte hier Wunder wirken. Probieren Sie es aus. Ich kann ihnen auch jemanden vorbeischicken, der Ihnen beim Aussuchen hilft.“
Ich werde es mir überlegen. Immerhin habe ich festgestellt, dass man über die Repzepzion auch Hilfen bestellen kann, die den Müll runtertragen, die Spülmaschine ausräumen und den Tisch decken. Jetzt muss ich nur noch meine Tochter und meinen Mann bei der Repzepzion unterbringen. Ich werde da demnächst einfach mal anrufen und nachfragen.

4 Gedanken zu „Die Nummer gegen Kummer

  1. lilawundersterne

    Hallo 🙂

    Ich sitze hier und grinse und wundere mich. Ist Wiesbaden ein Dorf oder ist Internet ein Dorf? Bei Wagenpfeil und Wiesbaden wurde ich hellhörig – sehr hellhörig. Denn irgendwie sind wir über x Ecken verwandt oder so. Ok angeheiratet verwandt – witzig ist das gerade trotzdem.

    Liebe Grüße aus dem Wiesbadener Westend Metzgerstochter Alex

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