Heute morgen schaffen es sieben leere Marmeladengläschen in unsere Zimmer, bevor wir aufbrechen, um den Tower of London zu besuchen. Das hatte sich nämlich der Lieblingsmann gewünscht. Die Tochter ist auch einverstanden. Sie hat ein Faible für Grausames seit sie von Haus Gryffindor zu Slytherin gewechselt ist.
Der Sohn freut sich auch sehr, da ich ihm versprochen habe, dass er heute mit meinem Handy und meinen mobilen Daten Pokemons jagen darf.

Handy brauch ich gar nicht, ich telefoniere mit meinem klebrigen Audioguide
Glücklicherweise gibt es im Tower sogar freies Wifi und tatsächlich jede Menge tolle Pokedinger.
Zwischendurch, wenn gerade keines da ist, frönt er seinem neusten Hobby und ärgert Nussknacker, die auch hier rumstehen und Lizzys Geschmeide bewachen.
Wir stellen uns an, um die Kronjuwelen zu besichtigen, der Lieblingsmann witzelt, dass er mir seine auch ganz privat im Schlafzimmer zeigen könnte. Da ich die aber schon kenne, will ich jetzt lieber den goldenen Löffel von Habichschonwiedervergessen sehen. Der Sohn will gerne die von seinem Papa sehen. Die Tochter tut so, als kenne sie keinen von uns.
Auf dem Weg in die Schatzkammer wird man an einer Projektionsfläche vorbeigeführt, auf der die Krönung der Queen gezeigt wird.
„War die Queen auch mal jung?“, fragt der Sohn irritiert. Er hatte das Video gesehen, da es in der Schatzkammer nämlich weder Wifi noch Pokemons gibt.
Hier drinnen darf man auch nicht fotografieren.
Der Lieblingsmann versucht es natürlich trotzdem und wird prompt erwischt und ermahnt. Da benimmt sich einen Moment mal der Sohn unauffällig …
Aber irgendwas ist ja immer.
An den Kronjuwelen der Königin wird man auf einem Fließband vorbeigefahren.
Das dauert ungefähr eine Minute lang. Spannend. Wie ein französischer Autorenfilm im Original mit Untertiteln. Oder eine Vorlesung über Kosten-Leistungs-Rechnung. Oder ein Diavortrag von Onkel Hubert über seinen Urlaub am Gardasee. Oder Bob Ross malt eine Landschaft. Natürlich mit Dark Sienna. Aber ich schweife ab, ich denke ich konnte die Faszination des Koh-i-Noor und Great Star of Africa auf mich hinreichend ausdrücken.
Wieder draußen versucht die Tochter, ein Musically mit Towerkulisse im Hintergrund zu drehen, aber der Wind weht ihr die ganze Zeit die Haare ins Gesicht. Ich biete an, mich hinter sie zu stellen und die Haare festzuhalten, merkwürdiger Weise will sie das nicht. Ein Haargummi hat sie aber auch nicht dabei. Kein Wunder, die liegen ja auch bei uns Zuhause überall in der Wohnung verstreut herum. Es ist kompliziert.
Wir verlassen den Tower und laufen an der Themse entlang zum Globe Theater, weil wir noch ein wenig Zeit bis zu meinem nächsten Programmpunkt haben.
Es ist nett hier an der Promenade, es gibt viele Straßenmusiker. Generell gibt es in London viele gute Straßenkünstler. Die Kinder staunen über einen frei schwebenden Yoda, aber als wir Eltern erklären, wie der Trick funktioniert, hören sie wie immer nicht zu.
45 £ Eintritt für das nachgebaute Shakespeare-Theater sind uns aber zu teuer, so interessant finden wir das dann doch nicht und Zeit haben wir dafür auch nicht.
Wir laufen also über die Millennium-Bridge ans andere Themse-Ufer, vorbei an einer Kirche, die der Sohn tatsächlich richtig als St Paul’s Cathedral identifiziert. Anscheinend hat er den japanischen Kommentar aus dem Hop-on-Hop-off-Bus verstanden. Ich bin beeindruckt.
Dann kommen wir zum nächsten Programmpunkt: English Afternoon Tea.
Ich habe eine kleine Schwäche für englische Krimis und wollte schon immer mal wissen, wie Scones mit Clotted Cream schmecken. Um es vorweg zu nehmen: Deswegen muss man jetzt nicht unbedingt nach England fahren, man kann auch ein nicht ganz so gut aufgegangenes Rosinenbrötchen, das man mindestens einen halben Tag hat liegen lassen, mit überschlagener Sahne und Marmelade beschmieren und essen. Voila!
English Afternoon Tea wird vor allem in den Hotels angeboten, der Lieblingsmann wollte sich aber nicht mit den Kindern in einem superschicken Ambiente blamieren und hat auch weder Krawatte noch Anzug dabei, aber beim Bummeln hatten wir entdeckt, dass es in der Patisserie Valerie auch Afternoon Tea gibt mit Fingersandwiches, allerliebsten Törtchen und natürlich den bereits erwähnten Scones – hübsch dekoriert auf einer Etagere.
Die Kinder bestellen zu ihrem Tee, der in echt Limo ist, standesgemäß original englische Lasagne.
Ich bin glücklich, obwohl ich eigentlich überhaupt keinen schwarzen Tee vertrage. Aber dieser geht.

Fingersandwich-Mandala
So gestärkt machen wir uns auf den Weg zu unserem letzten Programmpunkt für heute, dem British Museum.
Hier wird erstaunlicherweise kein Eintritt verlangt, lediglich Einblick in die Handtasche muss man gewähren, aber daran habe ich mich inzwischen schon gewöhnt. Ich habe den Eindruck, halb London kennt sich in meiner Handtasche besser aus als ich.
Den Audioguide muss man bezahlen, hier sparen wir aber auch, es gibt nämlich gar keinen mit vollen Akkus mehr. Ich kaufe deshalb einen gedruckten Family Guide und wir machen uns auf die Suche nach den neun dort vorgestellten Schlüsselattraktionen.
Den Kindern hatte ich den Besuch schmackhaft gemacht, in dem ich ihnen erzählt habe, dass wir uns das Museum aus dem dritten Teil von „Nachts im Museum“, dem irre witzigen* Ben-Stiller-Streifen, anschauen.
Während die Kinder also Ausschau nach Teddy Roosevelt alias Robin Williams und dem süßen kleinen Cowboy Jedediah und seinen römischen Soldatenfreunden halten, finden wir Erwachsenen mit etwas Mühe den Stein von Rosetta, einem Stein mit einer Inschrift, die es ermöglichte, altägyptische Hieroglyphen zu übersetzen, dem ersten der neun Ausstellungsstücke aus dem Führer.

Oben hieroglyphisch, Mitte altägyptische Schriftsprache, unten Altgriechisch. Aber das habt Ihr sicher schon selbst erkannt.
Anschließend finden wir noch ein altgriechisches Trinkgefäß, die Lewis Chesmen (mittelalterliche Schachfiguren), den Sutton Hoo Helm (verrosteter Ritterhelm aus dem frühen 7. Jahrhundert), eine aztekische zweiköpfige Schlange aus winzigem Türkis-Mosaik, die Mumie von Nesperennub, (ägyptischer Priester um 800 v.C.), die Otobo-Skulptur (zeitgenössische afrikanische Kunst) und natürlich eine der Osterinselfiguren, oder um zu „Nachts im Museum“ zurück zu kehren: Dum Dum.
Anschließend sind wir alle ziemlich erledigt, im Museum war es nämlich schrecklich voll. Vielleicht sollte man doch überlegen, Eintritt zu nehmen, dann kämen vielleicht weniger, aber dafür nur die, die sich wirklich für die Exponate interessieren, und nicht die, die nur auf der Jagd nach dem besten Selfie sind.
Dann wäre ich aber vermutlich auch ohne den Rest der Familie da drin gewesen.

Ausstellungsstück, gestiftet von Dr. Jones jr.
Zur Belohnung fürs tapfere Durchhalten gibt es noch ein Softeis für den Sohn und ein zweifarbiges Slush für die Tochter sowie ein Abendessen für alle im Burgerladen neben dem Hotel.
Morgen fliegen wir schon wieder nach Hause, aber vorher gehen wir noch ins Aquarium.
*Vorsicht: diese Aussage kann Anteile von Ironie enthalten!
Was bisher geschah:
London – Part 2: Jede Menge Essen, Nussknacker und ein Haufen Scheiße
London, Part 4: Selfies mit Trump und Lady Gaga, Shopping-Queen und die große Frage „Whodunnit?“
Facts & Figures
Tower of London: Festung im Herzen Londons an der Themse, die als Residenz, Gefängnis und Hinrichtungsstätte gedient hat. Heute kann man da die Kronjuwelen bewundern.
Kosten: Familienticket 70 £, Audioguide für vier: 12 £
English Afternoon Tea: Patisserie Valerie https://www.patisserie-valerie.co.uk/ Es gibt in London mehrere Filialen. Wir waren in dem in Soho. Schönes Ambiente, nette Bedienung. English Afternoon Tea kostet für zwei Personen inklusive All-you-can-drink Tee 25 £ und ist damit bedeutend günstiger als im Hotel, wo man ab 30 £ pro Person zahlt. Vielleicht sind da dann aber auch die Scones besser.
British Museum: eines der größten und bedeutendsten kulturgeschichtlichen Museen der Welt. Eintritt kostenlos, Audioguide kostenpflichtig verfügbar, wenn nicht gerade aus. http://www.britishmuseum.org/
Hierbei handelt es sich auch im fünften Teil immer noch nicht um bezahlte Werbung. Ich schreibe einfach auf, wo wir waren, was wir gemacht haben, weil ich nämlich auch genau solche Blogbeiträge mag, die mir helfen, einen Urlaub zu planen und mich für etwas zu entscheiden.
Pingback: London, Part 6: Mit Haien schwimmen und britische Klogeschichten – Goodbye London! | Sandkuchen-Geschichten
😂😂😂😂 Hahaha, der beste Reisebericht, den ich je gelesen habe. 😂😂👌
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Diese Reisegeschichten sind immer lustig, und – Achtung! – auch noch informativ 🙂 P.S. Hast du dir abends noch die anderen Kronjuwelen angesehen? 😉
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Der Mann lässt fragen, ob da allgemein Interesse besteht …
😉
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Na klar 😛 – aber nicht zu sehr ins Detail gehen, die Fantasie soll ja was zu tun haben 😉
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Nach dem R2D2-Selfie kann es nicht mehr besser werden…
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