„Kennt Ihr jemanden, der einen Garten in Biebrich sucht?“, hat uns vor einem Jahr ein anderer Vater auf Linas Klassenfest zwischen verkohlten Grillwürstchen und Mayonaisekartoffelsalat gefragt.
Das letzte was wir brauchen, ist ein Garten. Wir haben einen Hof, den die Oma sehr hübsch bepflanzt und pflegt, in den wir uns einfach setzen können, wenn uns der Sinn danach steht und das Wetter mitspielt.
Im Sommer grillen wir da gerne, wenn was fehlt, haben wir unseren eigenen Rewe in der Speisekammer und den Rewe zwei Häuser weiter, um schnell Nachschub zu holen.
Ansonsten haben wir echt genug zu tun, unsere Jobs und die Kinder fordern uns, Hobbys haben wir auch noch und der Haushalt ist sowieso chronisch unterversorgt.
„Wir nehmen ihn“, lautet also folgerichtig unsere Antwort.
Irgendwie stellten wir uns das nett vor: Hier können wir anpflanzen, was wir wollen, weil es nämlich echte Erde gibt und nicht nur Kübel. Vor allem gibt es da keine Oma, die das frisch gepflanzte und dekorierte wieder umpflanzt und umdekoriert und das wichtigste ist natürlich – der Lieblingsmann kann Rasen mähen, was auf unserem asphaltierten Hof nicht so richtig geht.
Außerdem ist der Garten mit dem Fahrrad erreichbar, hat fließend Wasser und eine Toilette und keinerlei Anbauvorschriften, es ist kein Schrebergarten sondern ein Freizeitgarten.
Natürlich haben wir die Kinder gefragt, ob sie auch einen Garten wollen.
„Jaaaaaaa“, haben sie laut und begeistert geschrieen.
Das war allerdings bevor sie herausgefunden haben, dass das Trampolin dort nur halb so groß ist wie das auf dem Bauernhof im Urlaub, und bevor sie gemerkt haben, dass sie eigentlich nicht so für Natur und alles, was so in ihr herumkrabbelt, zu haben sind.
Ziemlich schnell haben sie auch den gravierendsten Mangel des Gartens entdeckt: es gibt kein Strom, um das Handy aufzuladen und vor allem gibt es kein W-LAN!
Aber ob die Kinder jetzt meckern weil sie mit uns spazieren gehen müssen oder in den Garten ist eigentlich ja auch egal. Da müssen wir jetzt alle durch.
Ein Jahr haben wir nun diesen Garten. Zeit, mal ein Resumee zu ziehen.
Das haben wir alles gemacht:
Gestrichen. Das Tor ist jetzt anthrazitfarben, ebenso wie der Zaun um die Hütte, auch wenn der Sohn ein strahlendes Gold bevorzugt hätte. Die Hütte ist jetzt schwedenrot mit weißen Akzenten und die Bänke und der Gartentisch wurden weiß lasiert. Genauso wie meine Lieblingsjeans. Aber naja, irgendwas ist halt immer.

vorher

Mittendrin. Kinderarbeit in improvisierter Schutzkleidung. Dernier cri.

nachher
Weggeworfen. Uns wurde ziemlich schnell klar, dass der Preis, den wir für den Garten bezahlt haben, eher ideell zu rechtfertigen ist. Die Geräte, die Gartenmöbel, Sitzauflagen, das Geschirr und der Krimskrams, der sonst noch in den diversen Schränken herumlag, waren weitestgehend unbrauchbar, abscheulich hässlich oder schlichtweg überflüssig.

Marode Schaukelstange.
Vor allem haben die Sachen viel Platz weggenommen.
Und da wir nach der Ausmistaktion wieder Platzt hatten, haben wir:
Eingekauft. Jeder nach seinen Interessen. Ich habe wahllos Pflanzen gekauft, Besteck, mit dem man auch etwas schneiden kann, neue Sitzpolster, Lampions, Kerzen, Karaffen und eine wunderschöne Wachstuch-Tischdecke. Also wirklich nur das Nötigste, was man in einem Garten so braucht.
Die Einkaufsliste des Lieblingsmannes umfasste Werkzeuge, Werkzeuge und Werkzeuge. Ach, und Rasensamen und Steine.
Geschnitten. Die Hecke, den Mammutbaum, den Rasen, die Weide, die Eiben. Für das Grobzeug ist der Lieblingsmann zuständig. Genauso wie für andere Dreckarbeiten wie das Dach mit dem Hochdruckreiniger sauber oder so was ähnliches zu spritzen. Ich glaube, wenn er in seinem Ghostbusterauftreten noch zufällig den Marshmallowman gefangen hätte, hätte er nicht glücklicher sein können.
Ich habe die Rosen zurückgeschnitten.

Ach, die Bretter vorne an der Hütte haben wir ja auch ausgetauscht, sehe ich gerade beim Bild einfügen. Ich rede natürlich mit dem partnerschaftlichen Wir. In Echt war das der Lieblingsmann ganz alleine. Im Hintergrund: geschnittene Hecke. Aber nur zur Nachbarsseite hin.
Gepflanzt: Dafür habe ich gepflanzt. Und dabei gleich ein neues Beet angelegt. Darin wachsen jetzt Hortensien, Lavendel, Pfingstrosen, HabdenNamenvergessen, Sahhübschausdeshalbhabichsmitgenommen, Dashatsichdavermutlichselbstgesetzt, IrgendwasdasdieSchneckenlieben, WasmitweißenBlüten und noch einiges mehr.

Die Beet-Anfänge. Mit manuell geschnittener Hecke im Hintergrund. Wegen der Nachbarn.
Verlegt: Der Lieblingsmann hat Steinplatten besorgt, diese zerbrochen und damit hübsche Wege oder besser gesagt Steininseln im Rasen gelegt. Streng genommen kann man das auch pflanzen nennen, wir gießen die Steine mindestens so häufig wie die Pflanzen.
Renoviert: „So, jetzt sieht die Hütte von außen gut aus, dann können wir uns irgendwann mal noch um das Innere kümmern“, habe ich gesagt und der Satz war noch nicht ganz verklungen, da hat der Lieblingsmann schon alles aus der Hütte geräumt und angefangen, die Wandverkleidung und den Boden in der Hütte rauszureißen und neu zu verlegen. Bis der erste angekündigte Besuch kam, war er tatsächlich fertig.

Jippieh, was zu tun!
Das haben wir alles falsch gemacht:
Zwei Tipps hat uns der Gartenvorbesitzer mitgegeben: „Nehmt zum Heckeschneiden lieber ein auffälliges, orangenes Verlängerungskabel“ und „Am besten baut Ihr die Toilette zum Winter aus oder kippt ein Päckchen Salz rein, sonst springt sie Euch“.
Ich weiß nicht, ob man von Minuten oder doch eher von Sekunden sprechen sollte, bis der Lieblingsmann das erste Verlängerungskabel mit der elektrischen Heckenschere durchgesäbelt hatte.
Und obwohl wir es nicht glauben wollten, war der Winter tatsächlich kalt genug, dass wir anschließend einen Sprung in der (Klo-)Schüssel hatten. Aber nur einmal die neue Schüssel wieder umtauschen und drei Montageversuche später war das Klo wieder funktionsbereit.
„Machen Sie sich einen Plan, was Sie wo pflanzen wollen“, stand im Gartenratgeber, den ich ausführlich studiert hatte. „Ach was, das mache ich nach Gefühl“, habe ich gedacht, mehrere Säcke gemischte Blumenzwiebeln gekauft und im Herbst in die Erde gesteckt.
Eigentlich dachte ich, ein gutes Gedächtnis zu haben. Das scheint aber nicht bei Pflanzaktionen zu greifen. Tatsächlich habe ich jedes Mal in dem Moment, in dem ich die Erde auf die Zwiebel gehauen habe, vergessen, was ich da reingesteckt hatte. Erschwerend kam noch hinzu, dass ich mit den meisten Blumennamen auch nichts anfangen konnte und versucht habe, anhand der Größe und der Farbe ein stimmiges Bild für den nächsten Frühling zu zaubern. Es sind tatsächlich einige Tulpen, Narzissen und erfreulicher Weise der Riesenlauch gekommen. So richtig super sah es aber nicht aus.
„Nehmen Sie eine Bodenprobe und verbessern Sie bei Bedarf den Boden“, das stand auch in dem Gartenratgeber. Hätte ich mich mal dran gehalten, dann würden vermutlich der ein oder andere Lavendel, die ich in den schweren, lehmigen Boden gestopft hatte, noch leben.
Das war unerwartet:
Die Natur. Also für drei von vier Gartenbesitzern. Es gibt wirklich sehr viele Viecher in diesem Garten.
Zum Beispiel eine Spinnenfamilie, die sich explosionsartig vermehrt. Macht man was im Beet vor der Hütte, sprinten plötzlich ungefähr drei Millionen graue Babyspinnen den Zaun hoch. So wie bei Harry Potter und die Kammer des Schreckens – Follow the Spiders. Lieber nicht.

Familie Aragog
Im gleichen Beet wohnt auch eine kleine Eidechse, die ich ausgebuddelt habe, als ich mal wieder einen Lavendel zwischen die Rosen setzen wollte. Erst dachte ich, ich hätte dem Viech ein Beinchen mit der Schippe abgehackt, weil es so starr und verängstigt vor mir saß. Irgendwann ist das Echschen dann aber doch auf vier Beinen abgehauen.
Außerdem wuseln Ohrkneifer, Kellerasseln und jede Menge Stinkwanzen hier herum. Und Wespen. Drei kunstvoll gebaute Nester haben wir gefunden, als wir die innere Decke der Hütte abgemacht haben. Verkehrsgünstig gelegen, direkt an der Ameisenstraße.
Natur ist aber nicht immer lebendig. Wir haben zwei tote Vögel, eine tote Ratte und ein mumifiziertes Eichhörnchen gefunden und entsorgt begraben.
Der Wasserschaden. „Da müsst Ihr noch mal schauen, hier ist ein bisschen feucht in der Wand“, hat uns der Vorbesitzer bei der Gartenübergabe gesagt.
„Heute streichen wir mal hinter dem Gartenschrank“, hat der Sohn zwei Monate später beschlossen und dann haben er und der Lieblingsmann die Wand und Teile des Bodens rausgerissen, weil sie nämlich völlig nass und vergammelt war, weil der Ablauf des Gartenschranks geschickter Weise direkt gegen die Holzwand lief.
Die Einbrecher. Beim ersten Mal haben sie nur ein Brecheisen mitgenommen, beim zweiten Mal waren der Akkuschrauber, die Akkustichsäge und die Blechbembel weg. Bevor sie den unbrauchbaren Krempel der Vorbesitzer abtransportieren konnten, wurden sie leider gestört. Dafür haben sie uns ihren Bolzenschneider da gelassen.
Ein anderes Mal lag eine Tasse im Garten, die uns nicht gehörte. Nun ja.
Trampolinunfälle. Plötzlich lag die Tochter neben dem Trampolin anstatt mit ihrem Bruder darauf herumzuhüpfen. Im Begrenzungsnetz um das Hüpfgerät klaffte comikgleich ein Loch mit ihren Umrissen.
Aber der Mann hat es umgehend wieder repariert. Warum muss ich eigentlich immer kaputte Klamotten flicken wenn der das auch kann?
Ach so, der Tochter ist übrigens nichts passiert.
Das haben wir geerntet:
Erdbeeren: Zehn Pflanzen habe ich gesetzt. Ungefähr doppelt so viele Erdbeeren in Miniaturwunderland-Größe haben wir auch geerntet.
Karotten: ich habe zwei Saatbänder, die ich bei Aldi mitgenommen hatte ausgelegt. Es sind auch ein paar Fingermöhrchen dabei rumgekommen. Also KleinerBabyfingermöhrchen.
Rhabarber: Eine Pflanze gab es schon im Garten und die ist tatsächlich sehr ergiebig.

Leeres Beet im Frühjahr. Rechts vorne Rhabarber.
Kürbis: Ich habe ein Tütchen Hokkaido-Kürbissamen und ein Tütchen Zierkürbis – bunte Mischung im Boden verteilt und tatsächlich ist jedes Körnchen aufgegangen und hat eine gewaltige Pflanze ergeben, die ich nach meinem Lieblings-Musical „Der kleine Horrorladen“ Audrey 3 getauft habe und die das gesamte Beet, und was so drum rum ist, übernommen hat (außer den Rhabarber). Vermutlich liegt es an Audrey 3, dass weder der Kopfsalat noch die Petersilienwurzel sich getraut haben, zu sprießen.
Vielleicht hätte ich auch etwas mehr gießen sollen.
Keine Äpfel: Hier sind nämlich im Frühling alle Blüten erfroren.
Waren letztes Jahr eh nicht so lecker – die Antwort des beleidigten Kindes.
Kohlrabi: Wächst noch. Zwei Reihen habe ich gesät, drei Pflanzen sind gekommen und einen werden wir wohl ernten können. Gut, dass ich hier nicht für die Verpflegung der Bevölkerung zuständig bin.

Kohlrabi – 2 von 3. Den dritten hat Audrey 3 verschlungen.
Stachelbeeren: Zwei Sträucher waren schon im Garten und die haben leckere rote Beeren getragen. Was allerdings nur ich zu würdigen weiß. Lucky me!
Rote Johannisbeeren: Unerwartet das Lieblingsobst der ganzen Familie im Garten, wahnsinnig lecker gezuckert mit Quark.

Obstmandala – aus (fast) komplett eigenem Anbau.
Minze: Minze sollte man nur im Topf ziehen, da die sich im ganzen Garten ausbreitet und man sie nie wieder los wird.
Diesen Ratschlag habe ich leider erst am Tag, nach dem ich einen Topf Minze ausgewildert habe, gehört. Die Minze wächst tatsächlich gut. Leider hat ein Vogel voll draufgeschissen, so dass ich sie momentan lieber nicht ernten möchte.
Weinbeeren: Drei Stöcke haben wir im Garten, jede trägt brav eine Traube voller Weinbeeren. Mal sehen, was wir daraus alles machen können.
Dill: Leider habe ich es verpasst, ihn rechtzeitig zu pflücken und einzufrieren. Aber immerhin hat es ergiebig funktioniert.
Himbeeren: In rauen Mengen. Den ganzen Sommer über. Allerdings die meisten mit Fleischeinlage in Form von ekligen Maden. Google meint, das wären Himbeerkäferlarven. Und man könnte nichts dagegen spritzen sondern müsste sie im Frühjahr absammeln. Na, super!
Schnecken: Audrey 3 könnte noch mehr Kürbisse liefern, wenn die fiesen Viecher nicht die kleinen Kürbisbabys gefressen hätten. Wobei ich eigentlich eher auf Audrey 3 gesetzt hätte. Egal. Jetzt sammeln wir also jedes Mal Schnecken und setzen sie weit weg wieder aus.

Der Endgegner des Gärtners.
Was wir noch machen müssen:
Zelten. Im Garten übernachten steht auch auf dem Plan. Aber da ist so viel Natur. Und Einbrecher.
Die Gartendusche abreißen: Etwas, womit wir wirklich überhaupt nichts anfangen können. Stattdessen könnte ich mir da gut einen Mirabellenbaum vorstellen.
Eine Verwendung für den Granit-Sandkasten finden. Ein wirklich fieses Ding, wie ich finde. Vielleicht wird es eine Feuerstelle oder ein Beet. Mal sehen. Aktuell haben wir ihn unter dem Trampolin versteckt.
Mit dem Fahrrad in den Garten fahren. Und dann wirklich den ganzen Tag da verbringen und nicht nur ein paar Stunden.
Himbeerkäfer los werden. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Feiern: Eine Einweihungsparty steht noch aus. Vielleicht nächstes Jahr.
Chillen. Erste Ansätze sind erkennbar. Aber irgendwie sind wir doch die meiste Zeit zum Arbeiten im Garten. Oder zum Meckern, zumindest die Kinder.
„Eigentlich können wir den Garten doch jetzt wieder mit Gewinn verkaufen“, hat der Lieblingsmann neulich gesagt.
Ich hätte lieber die Bestätigung, dass er auch wirklich uns gehört. Ob die Übernahme eingetragen ist, hat uns das zuständige Amt nämlich auch nach einem Jahr noch nicht mitgeteilt.
Dieses Jahr können wir leider nicht zu Linas Klassenfest. Was vielleicht ganz gut ist. Noch ein Garten wäre wirklich zu viel.
In der Tat bedeutet so ein Garten sehr viel Arbeit. Aber es ist Arbeit, die man draußen an der frischen Luft macht, und wenn man sich die Hände nicht schmutzig machen möchte, kann man sich Handschuhe anziehen oder Geschichten auf dem Notebook im Garten schreiben. So wie diese hier.
Allerdings nur so lange, wie der Akku hält, gibt ja keinen Strom zum Aufladen.
Und das ist auch gut so.
Mein Akku ist fast leer.
Ich bin dann jetzt mal schaukeln.
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Nach Lesen dieses Textes bin ich erschöpft und muss mich dringend ausruhen. Hoffentlich träume ich nicht von Familie Aragog 😉
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Ja, das ist echt ein Brocken geworden. Aber andererseits: ein Jahr in einem Artikel. Schöne Träume!
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Euer Garten ist ein richtiges Kleinod finde ich!
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