Hamburg, Teil 4: Auf der Reeperbahn nachts um halb neun


Das Schöne am Wegfahren ohne Kinder ist ja auch, dass einen niemand morgens mit Filmmusik von Hans Zimmer oder John Williams in einer Lautstärke weckt, bei der selbst Autobahnanwohner erschrocken in ihrem Bett hochfahren. Zu allem Überfluss ist in der Filmmusik von Fluch der Karibik, die Fritz in den letzten Wochen in Dauerschleife hört, kaum Abwechslung.
Aber hier in Hamburg  ist davon nichts zu hören. In vollkommener Entspannung liegen wir an Deck und träumen so vor uns hin.
Irgendwann verlassen wir dann aber doch den Segler, um unseren gebuchten Tisch in der Bullerei einzunehmen.
An Land kommt uns eine Gruppe gleich verkleideter junger Frauen mit Partyhütchen entgegen. Anscheinend feiert hier jemand seinen Junggesellinnenabschied in Hamburg. Ich hatte sowas ja gar nicht. Aber wenn, wäre es in Hamburg bestimmt lustig geworden.

Auf dem Weg zu Tim Mälzer werden wir dezent an unseren Sohn erinnert:

hans-zimmer-konzert

Weil wir etwas zu früh dran sind, schlendern wir noch ein wenig durchs Schanzenviertel. Hier präsentiert sich die Stadt nicht ganz so herausgeputzt wie rund ums Zentrum, aber es ist viel los, es gibt eine Menge netter und interessanter Läden. Überall machen Menschen auf den Straßen Musik, sitzen in Cafés und genießen das Leben. Schön.

In der Bullerei haben wir einen Tisch um 18:30 Uhr reserviert. Ab dann haben wir zwei Stunden Zeit, um uns den Bauch vollzuschlagen und den Gutschein, den ich von meiner Schwägerin und meinem Schwager zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, abzuarbeiten.

bullerei

In die Bullerei geht man offensichtlich nicht, um seine schicksten Klamotten mal auszuführen und bewundern zu lassen. Wir sind ganz froh, dass wir nicht noch mal ins Hotel gehumpelt sind, um uns in Schale zu schmeißen. Jeans und Bluse, bzw. Hemd sind how to be dressed. Allerdings sollte man nicht im großkarierten blauen Hemd kommen, da man ansonsten Gefahr läuft, auf dem Weg zur Toilette Getränkebestellungen aufgedrängt zu bekommen. Wobei das eigentlich nicht passieren kann, jeder bekommt nämlich seinen persönlichen blau-karierten Service-Mitarbeiter, der sich an dem Abend um einen kümmert. Unsere Kellnerin heißt Franzi und sorgt sich wirklich toll um uns.

bullerei-anzeige

Hier steht gar nichts von den blau karierten Hemden. Aber vielleicht werden die auch gestellt.

Für mich gibt es ein Steak und der Lieblingsmann bestellt sich Hühnchen. Eigentlich wollte er auch ein Steak, aber das wäre ja so, als würden wir im Partnerlook gehen. Am Ende noch in beigen Outdoorhosen, Treckingsandalen und roten Jack-Wolfskin-Jacken. Das geht natürlich gar nicht. Pärchenlook ist für meinen Mann ungefähr so gruselig wie für mich in Fußball-Bettwäsche zu schlafen.  Wir haben da also einen Nichtangriffspakt laufen. Gleich angezogen waren wir bisher nur ein einziges Mal; an Halloween 2002, da haben wir uns als Panzerknacker verkleidet. Aber damals hatten wir unterschiedliche Nummern auf den Pullis, das zählt also nicht so richtig. Und wir waren auch noch gar nicht verheiratet.
Aber zurück in die Bullerei: Das Essen ist sehr gut. Unprätentiös, qualitativ hochwertig, perfekt zubereitet. Allerdings auch kein Schnäppchen. Aber mit geschenktem Gutschein sehr gut leistbar. Ich kann diese Kombination empfehlen.
Der Mann am Tisch neben uns steckt die Maisspieße der ganzen Runde ein. So kann man natürlich die Kosten für das Essen auch etwas amortisieren.

bullerei-klotuer

Ach, schau an, die Kathi aus Berlin war auch schon da. Aber Tim Mälzer haben wir nicht gesehen. War vermutlich in der Küche

Nach der Bullerei wird’s wild. Wir gehen nämlich nicht ins Hotel zurück, sondern stürzen uns in den Trubel auf der Reeperbahn.
Als wir dort ankommen, laufen wir erst einmal in eine Gruppe gleich angezogener Frauen. Anscheinend ein Junggesellinnen-Abschied. Wie originell.
Ich schlendere und mein Mann humpelt neben mir durch die Straßen. Im Laufe (hihihi) des Tages hat sich der Zustand seiner Füße nicht verbessert.
In die Herbertstraße darf ich als Frau nicht und der Göttergatte möchte nicht. Überhaupt macht er einen sehr unentspannten Eindruck auf mich. Normalerweise darf ich immer einen Schritt hinter ihm herhecheln, jetzt klebt er an mir wie ein Tangotänzer und hält meine Hand so fest gedrückt, dass sie mir morgen bestimmt genau so weh tut wie ihm seine Füße.
Wir holen uns einen kleinen Absacker und genießen ihn im Liegestuhl.

 

absackern

Dabei bekomme ich erst einmal erklärt, woran ich eine Bordsteinschwalbe erkenne: Leggins, Bauchtasche, UGG-Boots.
„UGG-Boots und Leggins? Jetzt verarschst Du mich aber. Da verhüten die doch schon, bevor es zu irgendetwas kommt! Gefällt Dir so was? Das glaub ich Dir jetzt nicht. Wo soll denn da eine sein?“
Jetzt verschluckt sich mein Mann am Bier.
„Ist das Dein Ernst? Wir mussten eben Slalom laufen.“

schild
Natürlich weiß er, dass ich mal wieder nichts mitbekommen habe. Aber wer rechnet auch schon mit Leggins und UGG-Boots? Außerdem war ich viel zu sehr damit beschäftigt, mir die vielen interessanten Läden hier auf St. Pauli anzuschauen. Und natürlich, nicht in einen Junggesellinnen-Abschied hineinzulaufen.

gunshop

Neben mir betrachtet ein Mann die Auslage, der mir sehr fachkundig erklären kann, wozu man die ganzen Dinge im Schaufenster benutzt. Ich bin beeindruckt, hatte ich mich doch schon gewundert, warum die dort Kugelschreiber anpreisen. Jetzt weiß ich, dass man die wunderbar benutzen kann, um jemanden damit in den Hals zu stechen. Gruselig.
Da bin ich doch auch eher für Mampf anstatt Kampf. Ist aber leider nicht Donnerstag.

strassenmampf

Der nächste Laden, der meine Aufmerksamkeit erregt, ist leider geschlossen. Vielleicht sollte sich mein Mann auch so ein paar Luden-Latschen zulegen. Womöglich kann er darin besser laufen. Aber ich glaube, man läuft damit nicht, sondern fährt in Strechlimo oder Hummer, von denen hier ein paar rumcruisen. Aber auch das könnte gut für seine Füße sein.

ludenschuhladen

Ein Paar Schuhe für mich gibt es hier auch nicht. Der Mann witzelt, ich solle mir ein paar UGG-Boots kaufen. Aber als ich ihm damit drohe, seine Hand auf der Stelle loszulassen, hört er gleich brav damit auf.
Neben weiteren Junggesellinnenabschieden sehen wir noch mehr Männer wie meinen, die ängstlich die Hand ihrer weiblichen Begleitung umklammern. Von den Händchenhalterinnen trägt keine UGG-Boots.

Plötzlich dringen vertraute Klänge an mein Ohr.
Tatsächlich spielt eine Frau die Fluch-der-Karibik-Musik auf einem E-Cello. Am liebsten würde ich weglaufen wie Jack Sparrow*, aber mein Mann hängt ja noch an meiner Hand und kommt nicht so schnell hinterher.

*Anmerkung des Sohns: Es muss natürlich Captain Jack Sparrow heißen.

e-cello-spielerin

An der U-Bahn-Station verabschiedet uns ein Dudelsackspieler mit dem schottischen Gassenhauer „Nehmt Abschied, Brüder“ in doppelter Geschwindigkeit. Wie, als wollte er uns besonders schnell los werden. Dabei hätten wir ihn fast übersehen, da eine Gruppe feiernder Junggesellinnen vor ihm steht.
Auf einer Leuchtreklame entdecken wir den Aufruf: „Stop Sexism“. Ich glaube, es ist wirklich Zeit, diesen widersprüchlichen Ort zu verlassen. Außerdem hat mein Mann Angst, dass ich nach meinen zwei Wein und dem Aperol Spritz noch irgendwelchen Quatsch machen und ihn in die Bredouille bringen könnte. Ich!

Spät nachts ist dann aus unserem Hotelzimmer noch lautes Stöhnen zu vernehmen – als ich meinem Mann die malträtierten Füße massiere.

Hoffentlich kann mein Lieblings-Humpelbeinchen mit den massierten Füßen am nächsten Tag besser mit mir Schritt halten.

Warum wir wohl im Urlaub ohne Kinder um 6 Uhr sonntagsmorgens aufstehen, wofür ich keine Urkunde bekommen habe und was es jetzt wirklich mit diesen Bäumen auf sich hat, gibt es demnächst hier in diesem Theater. Ach nein, wir gehen ja in die Laiszhalle.

 

Was bisher geschah:

Hamburg, meine Perle: Jetzt geht’s los!

Hamburg, Teil 2: Hoppe, hoppe Bus

Hamburg, Teil 3: Walking in a Mini-Wunderland

 

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