Coronation-Street ist die Lindenstraße Groß-Britanniens, die seit plus/minus drei Millionen Folgen das Leben in eben dieser Coronation-Street mit allen ihren Höhen und Tiefen zeigt und ich habe aktuell den Eindruck, dass dieser Name in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr weise und vorausschauend gewählt wurde.
Woche zwei in unserer own private Coronation-Street ist vorbei und die Playlist der Stunde heißt: „Hurra, wir leben noch!“
Zwischen Home-Office, Home-Schooling und Home-Gammeling haben wir uns nicht gegenseitig erschlagen und respektieren größtenteils unsere Grenzen.
Der Opa kommt nach wie vor täglich rund drei Stunden vorbei und bereitet seinen Unterricht akribisch vor, nur Sport macht er nicht.
Das unterrichtet Youtube. Außerdem liegen hier drei selbst gebastelte und schon diverse Male restaurierte Jonglier-Bälle rum, das war nämlich der Auftrag der einen Sportlehrerin: „Lerne Jonglieren“. Ich habe großzügigst 240 Gramm kostbaren Reis geopfert und aus meinem umfangreichen Bastelfundus Luftballons herausgesucht.
Der andere Sport-Auftrag lautete übrigens: „Übe menschliche Pyramiden zu bauen mit Deiner Familie.“
Am Arsch die Räuber! Aber vielleicht muss man ja auch nicht alle Aufgaben hundertprozentig erledigen. Auch wenn ein Familienpyramidenfoto bestimmt lustiger gewesen wäre als drei bunte Bälle.
Die Tochter hat sich gleich als Coach angeboten, schließlich war sie in der Grundschule in der Cheerleading-AG und hat in den letzten zwei Wochen einige Folgen Glee geguckt.
Aber statt Pyramiden macht sie jetzt gelegentlich Youtube-Workouts in ihrem Zimmer, um nicht mit ihren Eltern im überlaufenen Park joggen zu müssen. Tendenziell begrüßenswert, nur an der Uhrzeit müssen wir noch arbeiten, 0 Uhr halte ich für keine akzeptable Workout-Zeit.
Vor zwei Wochen hatte ich geunkt, ob da überhaupt noch was von der Schule kommt, aber tatsächlich kamen durchaus sehr kreative und tolle Aufgaben zusammen.
Es soll zum Beispiel ein Diorama mit griechischen Göttern gebaut werden, man soll einen Comic auf Latein verfassen, einen Stop-Motion-Film drehen, ein Modell einer Zelle bauen oder Matheaufgaben in der Anton-App lösen.
Für Englisch habe ich einen Lernkrimi in der ortsansässigen Buchhandlung bestellt, der war auch direkt am nächsten Tag da. Im Übrigen habe ich sowieso noch nie ein Buch außer elektronischen bei Amazon gekauft, ich habe da noch nie einen Vorteil drin gesehen.
Bücher hamstern finde ich darüber hinaus auch viel sinnvoller als Klopapier zu horten, zur Not kann man die Bücher nach Lektüre ja auch einer zweiten Verwendung zuführen.
Ich habe übrigens gerade „Gösta Berling – Geschichten aus dem Wermland“ von Selma Lagerlöff ausgelesen.
So, jetzt aber endlich mal zum Wochenende.
Cocooning-Time. Zum Frühstück gibt es Eier im Toastbrot-Muffin nach einem Rezept von Supermom-Berlin und weil ich bei meinem Wocheneinkauf gestern Hefe und Mehl ergattern konnte, backe ich einen Butterkuchen, auf den ich schon lange Lust habe.
Obwohl der Lieblingsmann schon eine 10-km-Tour auf dem Wispertrail rausgesucht hatte, entscheiden wir uns für einen Ausflug in den Garten. Zwischen Laubrechengeräuschen und Rasenmäherbenzindampf chillen die Tochter und ich in der Sonne.
„Wenn wir irgendwann mal wieder in die Schule müssen, tauche ich dort braungebrannt und mit neuen Skills auf“, verrät mir die Tochter. Erst mal kriege ich aber neue Skills nähergebracht, ich muss irgendwelche Tiktok-Tänze lernen, die wir dann gemeinsam performen. Ich finde meine Improvisationen äußerst gelungen, der Lieblingsmann meint, ich solle nicht die ganze Zeit so komische Grimassen schneiden. Pff, wie will der das vom Hüttendach, wo er das Laub zusammenfegt, denn gesehen haben.

Die Skills, die die Tochter sich aneignen will, bewegen sich eher im Skater-Girl-Bereich. Den Weg legt sie aber noch ohne Threesixtys oder Olis auf ihrem Longboard zurück. Ich benutze das Wakeboard hingegen als Abstandhalter und versuche, mir die ganzen Hundertjährigen, die so auf der Straße rumlaufen, vom Leib zu halten.
Abends mag dann keiner mehr kochen, freundlicher Weise übernimmt das der Mexikaner am Rheinufer, der jetzt sein Essen auch ToGo anbietet.
Vom Joggen am nächsten Morgen gibt es kein Foto, genauso wenig wie vom Frühstück. Aber da kann man einfach mal in den letzten Wochenenden in Bilder schauen, da ändert sich nicht groß was. Dank Corona sind wir alle da, auch wenn der Lieblingsmann jetzt lieber bei den südwestdeutschen Veteranen-Badmintonmeisterschaften im kampfer- und KlosterfrauMelissengeist-geschwängerter Sportallenluft wäre.
Vielleicht hätte ich ein Foto von der Schlange vorm Bäcker machen sollen, wie brav die Menschen mit zwei Metern Abstand stehen und sich so einmal durch ganz Biebrich winden.
Richtig viel passiert am Sonntag dann nicht mehr.
Die Bohne ist krass gewachsen und wird umgetopft


und ich versuche mich an der Kunstaufgabe Stopp-Motion-Film:
Und damit hier keine falschen Eindrücke entstehen. Das Kind muss seine Aufgabe selbstverständlich selbst erledigen. Aber falls es mich fragt, sollte ich ja wissen, wie es geht, oder?
Die Tochter fragt, ob wir diese Woche wieder am offenen Fenster musizieren, aber ich habe nichts nirgendwo gelesen und so spielt jeder, der mag (also ich), alleine auf seinem Instrument und belästigt keine anderen Menschen.
„Ist heute wieder so ein Fensterkonzert? Ich dachte, ich hätte eben draußen was gehört, aber es können auch jaulende Hunde gewesen sein“, war übrigens die Original-Frage der Tochter und damit beschreibt sie recht treffend unseren Beitrag zum letztwöchigen „Musiker*innen für Deutschland“ mit Beethovens 5. oder 9. mit einem Text von Schiller oder Goethe, darüber ist man sich hier recht uneinig bzw. den meisten ist es auch schlichtweg egal.
Nächste Woche geht es hier weiter wie die letzte Woche: Ich bin im Homeoffice, auch wenn mein Auto aus der Werkstatt wieder repariert zurückgekehrt ist, die Kinder haben ihren Privatlehrer und der Lieblingsmann arbeitet mit Hochdruck an seinem Online-Shop.
Die Musikkurse werden per Skype, Whatsapp-Video oder Zoom-Videokonferenz besucht, ebenso wie das Badmintontraining und um 15 Uhr findet hier morgen eine Hausparty statt, hat die Tochter schon angekündigt. Auch diese ganz virtuell.
Ich bin gespannt, wie lange dieser Wahnsinn noch andauert und was hinterher noch von der Wirtschaft übrig ist. Wie viele Läden werden nach dem Shut-Down wohl gar nicht mehr aufmachen? Wer muss sich einen neuen Job suchen? Übernimmt Professor Drosten Quarks&Co und die Sendung mit der Maus?
Wir werden sehen. So lange schaue ich mir erst mal an, wie bei anderen die Corona-Klausur so aussieht. Wie immer bei Große Köpfe.